Ach, HERR, sieh doch, wie bange mir ist! Mir dreht sich das Herz im Leibe um, weil ich so ungehorsam gewesen bin. Klagelieder 1,20
Der Prophet Jeremia hatte viele Jahre lang gewarnt: Wenn ihr den Weg ohne Gott weitergeht, dann wird dieser Weg in die Katastrophe führen. Aber weder die Oberen noch das Volk störte sich an seinen bzw. Gottes Warnungen. Also kam es wie es kommen musste. Israel wurde erobert, die arbeitsfähige Bevölkerung nach Babylon verschleppt. Die, die in der zerstörten Stadt zurückgeblieben waren, sangen Klagelieder.
In den Versen der Tageslosung geschieht etwas Neues. Die Menschen erkennen ihr Unrecht. Und nicht nur das: Sie sprechen es aus, sie zeigen Reue für ihr Tun. „Ich bin ungehorsam gewesen.“ „Ich habe Unrecht begangen.“ „Ich habe mich von Gott abgewandt.“ Und mit diesen Bekenntnissen geschieht etwas Wichtiges. Denn erst die Reue und das Geständnis eröffnen den Weg zu einem neuen Verhältnis zu Gott.
Schuld drückt nieder. Unverarbeitete Schuld arbeitet in den Schuldigen weiter. Und sie lässt kein unbeschwertes Leben mehr zu. Ein Kollege schrieb einmal: Das setzt uns oft zu, meistens nachts. Wir finden keinen Schlaf. Peinliche Szenen laufen vor unserem inneren Auge ab. Wir sehen vorwurfsvolle Gesichter, hören anklagende Stimmen. Schuldgefühle überfallen uns. Sie drücken auf unser Herz, beschleunigen unseren Puls – so, als müssten wir vor einer tödlichen Gefahr davonlaufen. Nicht erst die neuere Medizin, schon die alte Bibel weiß: Verdrängte oder verschwiegene Schuld kann krank machen!
Der Ausweg aus einer solchen Situation: Zu seiner Schuld stehen, sie bekennen. Sie vor mir selbst, vor den anderen und vor Gott bekennen. Dann habe ich die Chance, Gott um seine Vergebung und einen ruhigen Schlaf zu bitten.
Guter Vater!
Nimm von mir alle Schuld, die ich begangen habe. Amen.
Nur gefragt!
„Sind alle Zigeuner Diebe?", fragt Denis. „Ich bin kein Zigeuner", sagt Nuri, „und ich weiß auch nicht, ob Zigeuner stehlen." Mit dieser Antwort setzt er sich auf seinen Platz und nimmt das Lesebuch aus seiner Tasche. Nuri ist erst seit ein paar Tagen in der Klasse. Die Mitschüler meiden ihn, ärgern ihn sogar manchmal. Denn er ist anders als sie, nicht nur dunkelhäutiger, er lebt auch anders. Sein Zuhause sind die kleinen Wohnwagen und die große Welt. Im Frühling, Sommer und Herbst zieht er mit seiner Familie von Ort zu Ort, um in den Städten Vorstellungen unter der Zirkuskuppel zu geben. Jetzt aber ist Winter. Da bleibt die Truppe für ein paar Monate auf einem Platz. Und Nuri besucht nun für eine längere Zeit die dritte Klasse.
Auch der Lehrer behandelt ihn nicht besonders herzlich. Nuri weiß vieles nicht, er kann nur stotternd lesen, nur fehlerhaft schreiben und nur mäßig rechnen. Zu oft hat er in der Schule gefehlt. Er wird auch diesmal nicht lange bleiben, denn die Sonnenstrahlen werden schon wärmer.
„Jemand hat mir mein Milchgeld gestohlen!", ruft Nico eines Morgens entsetzt in die Klasse und für Sekunden herrscht eisiges Schweigen. Alle starren Nuri an, auch der Lehrer. „Hast du es genommen?", fragt Denis und schaut Nuri herausfordernd an. Der schüttelt schweigend den Kopf. „Schau noch einmal in deinem Etui und in deiner Schultasche nach", verlangt der Lehrer. Nico kramt. Aber das Geld findet er nicht.
Die Blicke richten sich wieder auf den Zirkusjungen. Der schweigt.
„Nehmt die Lesebücher heraus", beendet der Lehrer die peinliche Situation. Die Schultaschen klappern, dann wird es still im Raum. Andre, der ruhigste der Klasse, beginnt zu lesen. Aber nach Schulschluss schwillt der Lärm wieder an. Die Kinder tuscheln. Nuri greift eilig seinen Tornister und rennt hinunter zum Fußweg am Fluss, der zu seinem Zuhause führt. Am nächsten Tag legt Nico das Geld auf das Pult. „Haben dir deine Eltern nun zweimal Milchgeld geben müssen?", fragt der Lehrer.
Nico schüttelt den Kopf, er wird rot und stottert: „Ich habe es gestern auf dem Küchentisch liegengelassen." Die Blicke der Kinder wandern von Nuri zu Denis. „Ich habe doch nur gefragt, ob er das Geld genommen hat! Es war nur eine Frage!", verteidigt sich Denis und setzt sich, die anderen nicken zustimmend. Der Lehrer will gerade die Hausaufgaben herausnehmen lassen, da steht Andre auf, geht langsam durch die Klasse. Alle schauen verwundert. Er bleibt vor Nuri stehen, streckt seine Hand aus und sagt laut, fast trotzig: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Nuri."
Hier sind alte Andachten zu finden:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause