HERR, zeige uns deine Gnade und gib uns dein Heil!
Psalm 85,8
Dieser Ruf aus Psalm 85 ist ein Gebet aus tiefem Verlangen. Er entsteht nicht aus Stärke, sondern aus Bedürftigkeit. Das Volk erkennt: Was wir wirklich brauchen, können wir uns nicht selbst geben. Und wenn wir es uns nicht selber geben können, dann aber können wir darum bitten.
„Zeige uns deine Gnade …“ Gnade ist kein abstraktes Konzept – sie ist die Erfahrung, dass Gott uns annimmt, obwohl wir ihn oft vergessen haben. Der Psalm bittet nicht: „Gib uns, was wir verdienen“, sondern: „Zeige uns, wer du bist: gnädig, geduldig, nah.“ Gnade bedeutet, dass Gottes Herz schneller ist als unser Versagen. Sie weckt Hoffnung, wo Schuld oder Erschöpfung drücken. Gnade ist nie verdient, immer nur Geschenk.
„…und gib uns dein Heil!“ Heil umfasst mehr als Rettung aus Gefahr. Heilung, Heil, heilen gehören eng zusammen. Es meint Wiederherstellung, Frieden, Ganzwerden – in Beziehung zu Gott, zu anderen Menschen und zu uns selbst. Der Beter weiß: Wahres Heil ist kein menschliches Produkt, keine Leistung, kein Erfolgsprogramm. Es ist Geschenk.
Dieser Vers lädt uns ein, die eigene Bedürftigkeit nicht zu verstecken. Wir dürfen Gott genau so ansprechen: ehrlich, suchend, mit offenen Händen. Wo wir seine Gnade empfangen, beginnt neues Leben, neues Vertrauen, neuer Mut, ein neuer Abschnitt.
Vielleicht ist dein / Ihr eigenes Gebet heute ganz einfach: „Herr, zeige auch mir deine Gnade – und heile, was verletzt ist.“ Gott antwortet gerne auf solche Rufe. Sein Heil kommt oft leise, aber es verwandelt. Auf jeden Fall ist kein Gebet auf dieser Welt umsonst gesprochen. Nicht alles kommt so, wie wir es uns wünschen.
Guter Vater!
Heile, was verletzt ist. Amen.
Regen und Sonne
Lina stapfte mit hängendem Kopf den Waldweg entlang. Ihr Tag war einfach doof gewesen: Sie hatte sich mit ihrer besten Freundin gestritten, die Mathearbeit war schiefgelaufen, und dann hatte sie auch noch ihren Lieblingsstift verloren. „Alles geht heute schief…“, seufzte sie.
Sie setzte sich auf einen Baumstumpf und murmelte: „Ich fühl mich so traurig.“ Es war kein großes Gebet, nur ein kleines Flüstern in den Wind.
Plötzlich raschelte es neben ihr. Ein kleines Rehkitz stand da und sah sie mit großen, neugierigen Augen an. Es war schlank, zitterte ein wenig – aber es wagte sich hervor und trat sogar einen Schritt auf Lina zu.
„Oh, hallo du…“, flüsterte Lina. Sie streckte vorsichtig die Hand aus, und das Kitz blieb stehen, ganz ruhig. Als würde es sagen: Du bist nicht allein.
Genau in diesem Moment wärmte ein Sonnenstrahl ihre Wange. Die Wolken hatten sich ein kleines Stück geteilt. Der Strahl traf Lina, das Kitz – und ließ die ganze Stelle um sie herum hell aufleuchten.
Lina lächelte zum ersten Mal an diesem Tag.
Das Kitz hüpfte plötzlich fröhlich davon, als hätte es seinen Auftrag erfüllt. Lina stand auf. Sie fühlte sich leichter. Der Streit mit ihrer Freundin war nicht gelöst, und der Stift war immer noch weg – aber tief in ihrem Herzen war ein kleiner, heller Funken: Hoffnung.
Sie wusste: Gott hatte ihr genau das gezeigt, was sie brauchte. Er war da – mit Gnade, Trost und einem winzigen Sonnenstrahl mitten im Wald.