Predigt über Markus 4, 26-29
Wir haben heute Morgen einen speziellen Predigttext – einen, der gar nicht so leicht zu verstehen ist. Er steht im Evangelium des Markus, im vierten Kapitel:
26 Zu den versammelten Menschen sagte Jesus: »Mit der neuen Welt Gottes ist es wie mit dem Bauern und seiner Saat: Hat er gesät, 27 so geht er nach Hause, legt sich nachts schlafen, steht morgens wieder auf - und das viele Tage lang. Inzwischen geht die Saat auf und wächst; der Bauer weiß nicht wie. 28 Ganz von selbst lässt der Boden die Pflanzen wachsen und Frucht bringen. Zuerst kommen die Halme, dann bilden sich die Ähren und schließlich füllen sie sich mit Körnern. 29 Sobald das Korn reif ist, schickt der Bauer die Schnitter, denn es ist Zeit zum Ernten.«
Es klingt wirklich wie eine sehr einfache Beschreibung einer Bauernregel. Der Bauer sät, wartet, die Pflanzen wachsen und er erntet. Ziemlich banal und unspektakulär.
Es ging wohl Markus darum zu zeigen, dass das Reich Gottes mit Sicherheit irgendwann einmal kommt, wie auch die Ernte mit Sicherheit kommt. Aber wann es kommt ist allein in den Willen Gottes gelegt.
Überhaupt --- das Denken vom Reich Gottes ist ja ausgesprochen schwierig. Was ist denn das Reich Gottes? Wie sieht dieses Reich Gottes aus? Wann kommt das Reich Gottes? Und wie kommt das Reich Gottes? --- Es sind alles Fragen, auf die es kaum eine Antwort gibt. Es gibt höchstens eine sehr persönliche Vorstellung davon.
Auf jeden Fall wird die Erde unter der Herrschaft Gottes stehen – und zwar vollständig. Wir hoffen auf ein Ende von Ungerechtigkeit, von Krieg, von Traurigkeit, von Zerstörung der Schöpfung. Stattdessen hoffen wir auf Gerechtigkeit und Frieden, auf Einheit der Schöpfung und Trost. Aber das hoffen wir, ohne es zu wissen. Und wann es soweit sein wird, wissen wir nicht – ob Morgen oder am Ende aller Zeit. Und auch wie es kommen wird, ist unserem Wissen entzogen.
Und doch scheint das Reich Gottes heute schon hinein in unsere Welt. Auch heute schon schickt Gott seinen Frieden, seinen Trost, seine Gerechtigkeit auf diese Welt. Auch heute schon ist unter uns das Reich Gottes errichtet. Auch heute schon ist diese Welt nicht nur sich selbst überlassen. Auch heute schon wirkt Gott in ihr. Aber Gottes Herrschaft ist nicht alles bestimmend und alles beherrschend. Auch heute schon ist Gott nichts unmöglich, aber die Freiheit der Natur und des Menschen sind noch uneingeschränkt.
Eine kleine Geschichte mag verdeutlichen, was ich meine:
Das wirkliche Leben
"Zwei Mönche fanden in einem alten Buch die Verheißung, daß am Ende aller Straßen, da, wo Himmel und Erde sich berühren, die Tür zum Reiche Gottes sei. Wer dort mit reinen Händen anklopfe, dem werde aufgetan, und er dürfe eintreten in Gottes Gegenwart und Gottes Herrlichkeit. Die beiden erbaten sich Urlaub und zogen los. Über viele Straßen wanderten sie, ertrugen Hunger und Kälte und die anderem Beschwernisse des Weges. Sie wurden müde, und sie wurden alt, aber eine große Sehnsucht trieb sie weiter. Und endlich waren sie am Ziel: Vor sich sahen sie die Tür zum Reiche Gottes, Sie reinigten sich gründlich, sieben Tage lang, dann klopften sie an. Es wurde geöffnet. Zaghaft, wie Kinder, fassten sie sich an den Händen, schlössen die Augen und traten über die Schwelle.
Als sie die Augen auftaten, waren sie zu Hause in ihrer eigenen Zelle. Auf dem Tisch lag die aufgeschlagene Bibel, und die Glocke läutete zum Mittagsgebet."
Eigentlich könnte die Predigt jetzt aufhören. Über das Reich Gottes ist alles gesagt.
Was aber kann dieses nahe und doch so ferne Reich Gottes für uns heute Morgen schon auswirken? Was bedeutet es für uns heute?
Nichts kommt von selbst, sagt unsere Erfahrung!
Neues Leben kommt wie von selbst, sagt Jesus! Und stimmt ein Lob des Schlafes an!
Denn das ‘nichts kommt von selbst’, lässt sich nicht zu Ende leben. Sonst müssen wir verzweifeln und werden krank. Es kommt ein Punkt, an dem wir loslassen müssen, jeden Tag. Jeden Abend legen wir uns ins Bett und sinken in Schlaf. Vielen fällt das nicht leicht, gerade wenn der Tag, die familiäre Situation, die Arbeitsbelastung, der Ärger in der Schule oder mit dem Kollegium groß ist. Aber irgendwann müssen wir loslassen. Irgendwann müssen wir uns fallen lassen, sonst gehen wir kaputt.
Für unsere Kultur, in der das künstliche Licht die Nacht zum Tage macht, in der die Bänder nicht still stehen dürfen, damit sich die Produktion lohnt, für unsere Kultur hat das etwas Faszinierendes: loslassen, zur Ruhe kommen, Vertrauen, dass mein Leben getragen ist. Wer loslassen kann, wer getrost und vertrauensvoll einschläft, der taucht ein in den Rhythmus der Schöpfung Gottes.
Luther beschreibt das Leben im Glauben so: „Der Fromme schläft nicht nur bei Nacht, sondern während seiner ganzen Lebenszeit; er lässt es gehen, wie Gott es macht, genießt die Gaben; lässt es sich gefallen, Werkzeug zu sein, und gibt Gott die Ehre. Er schläft und hat alles gleichsam in Ruhe und Muße. Und bei allem Tun tut er nichts, und indem er nichts tut, tut er alles.“ Luther, den niemand verdächtigen kann, tatenlos gewesen zu sein und die Hände einfach in den Schoß zu legen, er stimmt ein in den Lobgesang des Schlafes.
Im Reich Gottes lässt sich gut schlafen. Im Vertrauen darauf, dass Gott für uns sorgt, lassen wir los und merken: Gerade wenn wir loslassen, wenn wir nicht mehr versuchen, aus eigener Kraft zu leben, schöpfen wir neue Kraft. Bei allem, was wir zu leisten vermögen und was wir auch leisten sollen, in Gottes Nähe wird uns das Leben geschenkt: Wie von selbst bringt die Erde Frucht - wie von selbst.
Das heißt nun nicht, nichts zu tun.
Die Konfis wissen: Wer nicht etwas für die Schule tut, wird schlechte Noten bekommen.
Wir Erwachsenen wissen: Wenn wir uns bei unserer Arbeit nicht anstrengen, dann werden wir irgendwann einmal Probleme bekommen.
Und wir alle wissen: Wer Beziehungen und Kontakte nicht pflegt, der wird irgendwann einmal alleine dastehen.
Selbst unser Gleichnis hinkt. Es hat zu keiner Zeit auf der Erde einen Bauern gegeben, der geerntet hat, ohne vorher Arbeit gehabt zu haben. Die Pflanzen brauchen Platz, Wasser, Dünger. Das Unkraut muss gejätet werden, der Boden vorher aufgelockert werden, und, und, und ...
Und doch bedeutet das Reich Gottes für mich jetzt schon: Hab Vertrauen, lebe mit Vertrauen! Arbeite, wenn es nötig ist, streng dich an, weil du was erreichen willst UND lass los, wenn du das deinige getan hast. Lege es in die Hände Gottes. Amen.