Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Psalm 139,5
Gerade eben komme ich aus dem Altenheim gegenüber, dem Heinrich-Grüber-Haus. Alle zwei Wochen ist dort Gottesdienst. Der Psalm 139 war das Thema. Als Symbol hatte ich eine Radkappe dabei. Wir Menschen verbergen so gern das Hässliche und Unschöne. Am Auto verbergen wir die hässlichen Felgen mit der Radkappe. In unserem Leben verbergen wir Peinliches, wie Abhängigkeiten oder Schulden. Und besonders unsere Schwächen verbergen wir gerne. Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein und im Leben viel Kraft und Zeit kosten. Und auch vor Gott verstecken wir unsere unschönen Seiten.
Dabei ist es doch eigentlich völlig blödsinnig, auch vor Gott Dinge verbergen zu wollen. Was für ein Quatsch. Wir sind Gottes Kinder. Er kennt uns wie niemand sonst. Kennen wir nicht auch unsere Kinder sehr genau? Der Psalmbeter spricht sogar davon, dass Gott unsere Gedanken und unausgesprochenen Worte kennt.
Und unsere Tageslosung sagt: Gott ist immer bei mir, egal wo ich bin, egal wer ich bin, egal wie ich bin. Davor könnte man Sorge bekommen, frei nach dem Motto: Big brother is watching you. Aber ich empfinde dies eher als entlastend und schön. Gott ist einfach bei mir. Ich brauche vor ihm nichts zu verstecken. Er liebt mich einfach so wie ich bin. Ist das nicht irre?
Mir macht der Psalm 139 wirklich Mut und gibt mir Kraft. Ich werde so angenommen wie ich bin. Ich brauche mich nicht zu verstellen und nichts zu verstecken. Ich bin einfach Dirk, mit allen Fehlern, Ecken und Kanten – mit dem, was ich an mir mag und auch mit dem was ich nicht an mir mag. Und Gott ist immer an meiner Seite.
Guter Vater!
Danke, dass du mich so annimmst, wie ich bin. Amen.
Eine wahre Geschichte
Vor vielen Jahren auf der Furth beerdigte ich eine Frau. Zu diesem Anlass besuchte ich den Witwer und sprach mit ihm und seiner Tochter. Der Witwer war ein sehr angesehener selbständiger Mann. Schon beim Gespräch merkte ich, dass es zwischen Tochter und Vater Reibungen gab. Bei der Beerdigung war alles normal.
Kurze Zeit später rief mich die Tochter an und bat mich zu einem Gespräch mit ihr bei dem Vater. Dieses fand bald statt und es wurden große Probleme zwischen Vater und Tochter deutlich. Nach und nach, ganz langsam wurde deutlich, dass der Grund der Probleme unter anderem ein massives Alkoholproblem des Vaters war.
Er hatte es geschafft, seine Abhängigkeit einigermaßen zu verbergen, seinen Beruf jahrzehntelang ausgeübt und war angesehen gewesen. Aber über den Alkoholismus durfte nie gesprochen werden. Er schwebte wie eine Unheilswolke über der Familie. Das Gespräch verlief sehr intensiv mit vielen Tränen.
Eineinhalb Jahre später rief mich der Witwer an. Ob ich ihn nicht besuchen könnte. Er lebte inzwischen in einem Hospiz. Seine Krankheit ließ ihm nur noch wenige Wochen Zeit. Er begrüßte mich und strahlte über das ganze Gesicht. Er machte den Kleiderschrank auf. Drinnen standen unzählige Sekt-, Bier-, Wein- und Schnapsflaschen. “Mensch Pfarrer, ich muss es nicht mehr verstecken, ist das nicht toll! Und mit meiner Tochter habe ich mich ausgesprochen.“ Und so fand er ganz zum Schluss zu einem Frieden, den er schon so lange gesucht hatte. Die Traueransprache war zu dem biblischen Satz: „Der Mensch sieht nur, was vor Augen ist. Gott aber sieht das Herz.“
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause