Wer seinen Nächsten verachtet, versündigt sich; aber wohl dem, der sich der Elenden erbarmt!
Sprüche 14,21
Mir geht eine Szene der letzten Zeit nicht aus dem Kopf. Der ukrainische Präsident Selenskyj zu Besuch im Weißen Haus. Ihm gegenüber sitzen Präsident Trump und Vizepräsident Vance. Und während des Gespräches machen die beiden Amerikaner dem Gast durch abfällige Gesten und eine unflätige Sprache sehr deutlich: WIR HABEN DIE MACHT. DU BIST EIN NICHTS. Der arme ukrainische Präsident verteidigt sich und weiß doch gelichzeitig, dass er auf die Hilfe derer angewesen ist, die ihn gerade so verächtlich behandeln. Eine Szene, die leider mehr als genug über den Charakter der handelnden Personen aussagt. Und alles das sehr bewusst vor der anwesenden internationalen Presse.
Und als Gegenentwurf Papst Franziskus. Bevor er irgendwelche Würdenträger oder Staatsmänner empfing, besuchte er alle Angestellte des Vatikanstaats. Auch den Müllmännern der Vatikanstadt stattete er einen Besuch ab. Und es wäre ihm im Leben nicht eingefallen, sie von oben herab zu behandeln.
Schon zur Zeit des Alten Testaments gab es unterschiedliche Charaktere: Die mit Verachtung und Hochnäsigkeit und die mit Charakter und Erbarmen. Gottes Position ist dabei mehr als eindeutig. Gott ist immer an der Seite der Kleinen und Wehrlosen. Gott ist immer bei denen, die verachtet werden. Dies geht schließlich so weit, dass er sich selbst verachten und verspotten lässt.
Uns Christen müsste sehr klar sein, dass unser Leben, unser Reichtum, unser ganzes Hab und Gut ein Geschenk Gottes ist. Natürlich kommt unser Fleiß hinzu. Doch dieser sollte uns nie dazu verführen, auf andere herabzusehen. Wie heißt das Sprichwort? „Wer mit dem Finder auf andere zeigt, sollte sich bewusst sein, dass drei Finger seiner eigenen Hand auf ihn selbst zeigen.“
Guter Vater!
Hilf mir, nicht dem Hochmut zu verfallen. Amen.
Die Wette (Anton Tschechow)
Ein alter Bankier denkt an eine Abendgesellschaft zurück, die er vor 15 Jahren gegeben hatte. Damals war es zu einer Diskussion darüber gekommen, was die schwerere Strafe sei: Todesstrafe oder lebenslängliche Haft. Der Bankier hatte gesagt, die lebenslängliche Haft wäre grausamer, denn dabei werde das Leben langsam aus dem Bestraften herausgezogen statt schnell beendet. Er würde lebenslängliches Gefängnis vorziehen, hatte ihm ein 25-jähriger Jurist widersprochen.
Der reiche Bankier hatte mit dem Juristen um zwei Millionen gewettet, dass dieser es nicht 15 Jahre in Einzelhaft aushalten würde. Wenn der Jurist die Haft aushalten würde, bekäme er zwei Millionen, wenn nicht, so hätte er die Möglichkeit, jederzeit in die Freiheit zurückzukehren.
Der Gefangene hatte sich in ein Gartenhaus begeben. Während der freiwilligen Haft hatte er Unmengen von Büchern gelesen, Sprachen gelernt, sich mit Literatur, Wissenschaft, Philosophie und Geschichte beschäftigt.
Nun sind die 15 Jahre abgelaufen, und der Bankier ist verarmt. Er bereut die Wette: Sie würde ihn arm machen und hätte dem Häftling 15 Jahre seines Lebens geraubt. Am Vorabend des Stichtags beschließt er, den Häftling zu töten, um seine Wettschulden nicht bezahlen zu müssen.
Der Bankier geht in das Gartenhaus und findet den Juristen schlafend vor einem Brief am Tisch sitzend. Er glaubt, der Jurist träume von den Millionen. Der Bankier liest den Brief. Darin schreibt der Gefangene, er habe in den 15 Jahren aus Büchern alle Weisheit der Welt entnommen. Aber er verachte die Menschen, Leben, Freiheit und Weisheit. Alles sei flüchtig und illusorisch. Zum Beweis seiner Verachtung für die irdischen Werte würde er kurz vor Ablauf der Frist verschwinden, und damit auf die zwei Millionen verzichten.
Der Bankier küsst den Mann auf den Kopf und verlässt das Gebäude, voller Verachtung für sich selbst. Am nächsten Morgen melden die Wächter, dass der Häftling verschwunden ist.
http://www.leixoletti.de/interpretationen/diewette.htm
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause