Du tust mir kund den Weg zum Leben.
Psalm 16,11
Leben und Leben können zwei ausgesprochen unterschiedliche Dinge sein. Die Art und Weise wie Leben gelebt werden sind einfach sehr unterschiedlich, weil auch die Menschen, die diese Leben leben sehr verschieden sind.
Der erste große Unterschied ist, ob ich mir ab und zu die Zeit nehme, in Ruhe auf mein Leben zu blicken. In Ruhe zu schauen, ob ich das wirklich lebe, was mir wichtig ist. Und vielleicht auch dann Lebensführungen zu ändern, wenn ich feststelle, dass ich unzufrieden bin mit der Art meines Lebens. Oder ob ich einfach in den Tag hineinlebe, ohne mir große Gedanken zu machen.
Ich denke oft an eine Witwe, die mir nach 50 Jahren Ehe bei dem Beerdigungsgespräch sagte: „Was bin ich froh, dass dieses A….. tot ist.“ Und dann erzählte sie mir, wie sie viele Jahrzehnte unter der Alkoholsucht ihres Mannes gelitten hatte. Hätte es die Möglichkeit eines anderen Lebens gegeben? Ich will mir nicht anmaßen, dies zu beurteilen.
Es mag auch Zeiten geben, in denen wir uns nicht entscheiden können. Es mag Zeiten geben, in denen wir nicht mutig genug sind. Es mag Zeiten geben, in denen wir ratlos sind. Alles das gehört zum Leben dazu. Wie gut, dass ich mir dann Rat einholen kann. Die Familie, gute Freunde können Ratgeber sein. Aber auch Gott kann ein guter Ratgeber sein, wenn wir ihn um Hilfe und Orientierung beim Lebensweg fragen. Allerdings kann es sein, dass wir mit der Antwort nicht zufrieden sind. Jesus z.B. fordert einen jungen Mann auf, seinen großen Besitz zu verkaufen und ihm nachzufolgen. Dieser aber wird traurig und lehnt den Vorschlag Jesu ab. Er geht seinen eigenen Weg. Auch wir müssen im Endeffekt selber entscheiden, welche Wege wir gehen. Und wenn wir uns nicht entscheiden, so ist auch das eine Entscheidung.
Guter Vater!
Hilf mir einen guten Lebensweg zu finden. Amen.
Ein anderer sein
„Und", fragt die Mutter, „was ist es diesmal?" „Ausreichend", strahlt Nino und streckt ihr das Schulheft entgegen.
„Eine Vier ist kein Grund zum Jubeln. Andere Kinder schreiben Einsen und Zweien", dämpft die Mutter die Begeisterung. Nino ist enttäuscht. Es ist sein erstes Ausreichend in einer Mathematikarbeit und er ist stolz darauf. Selbst sein Lehrer hat gesagt: „Na, Nino, immerhin!" Darum hat er geglaubt, Mutter würde sich mit ihm freuen. Aber sie bügelt die Wäsche, schaut nicht einmal in sein Heft. Nino schüttet sich Milch in ein Glas und setzt sich an den Küchentisch.
Plötzlich sagt er wie zum Trotz: „Ich möchte Andreas sein." „Andreas?", staunt die Mutter und schaut vom Bügelbrett auf. „Der schreibt nur Einsen und Zweien, in allen Fächern immer nur Einsen und Zweien. Der hat noch nie eine Drei mit nach Hause gebracht." Nino trinkt seine Milch.
„Dann nimm dir ein Beispiel an ihm!", rät die Mutter. „Ungerecht ist das auch", überlegt Nino, „Andreas ist im Nu mit seinen Hausaufgaben fertig. Ihm fällt das Lernen leicht. Ich dagegen muss mich den ganzen Nachmittag mit dem Schreiben und Rechnen herumquälen und dann sagt der Lehrer noch: ,Nino, du musst sauberer arbeiten und die vielen Fehler vermeiden.'"
Nino stellt sich ans Fenster und schaut hinunter auf den Spielplatz. In dem kleinen Sandkasten baut sein Bruder einen Turm. „Andreas wohnt mit seinen Eltern in einem riesigen Haus", denkt Nino. „Jeder in der Familie hat sein eigenes Zimmer und muss es nicht wie ich mit einem quengelnden Bruder teilen." „Ja", sagt er laut, „ich möchte Andreas sein." „Aber mir würdest du fehlen", meint die Mutter, „und du hättest mich nicht."
„Ich würde dir nicht fehlen, denn du würdest mich nicht kennen und ich würde dich nicht kennen", antwortet Nino, „und darum würden wir uns nicht vermissen. Abends käme eine andere Mutter und gäbe mir einen KUSS und ich hätte sie lieb wie dich. Glaube ich wenigstens." Mutter schaut ihren Sohn verwundert an. Der wechselt schnell das Thema. „Weißt du", fragt er, „wo mein Hockeyschläger ist?" „Er liegt auf dem Schrank", sagt die Mutter. Nino läuft in sein Zimmer. Er zieht sein Sportzeug an, holt seinen Schläger vom Schrank.
„Ich gehe zum Training", ruft er und klappt die Wohnungstür hinter sich zu. Als er auf den Fahrstuhl wartet, überlegt er: „Ich werde heute wieder fünf Tore schießen. Das Spiel mit der Bande beherrscht keiner so gut wie ich." So denkt er und ist stolz auf sich.