Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen.
Psalm 40,9
Der Psalmbeter scheint die wirkliche Ausnahme zu sein. Die meisten, die ich kenne, lieben keine Regeln und lassen sich ungerne vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben.
Heute Morgen habe ich mit der vierten Klasse das Thema 10 Gebote begonnen. Wir sind in die Aula gegangen und haben uns dort die verschiedenen Regeln angesehen, die an einer Wand geschrieben sind: Toilettenregeln, allgemeine Regeln, Regeln des Umgangs miteinander, Pausenregeln. Schon auf dem Weg zurück haben die Schüler eine der Regeln nicht beachtet, die sie gerade erst gelesen hatten. Denn in der Schule gilt die Regel, nicht im Gebäude zu rennen. Sie taten es trotzdem.
Danach habe ich mit ihnen überlegt, welchen Sinn die o.g. Regel haben könnte. Sie kamen von selbst darauf, dass diese Regel vor Verletzungen schützen soll. Auf dem Schulhof und in der Turnhalle können sie gerne rennen. Die Regel ist also zu ihrem Schutz geschrieben und nicht, um sie zu ärgern. Wenn man dies sieht, dann kann man die Regeln auch annehmen und leichter beachten.
Und ich glaube, genauso sollten wir mit den Regeln und Geboten Gottes umgehen und uns zuerst einmal fragen, wovor sie uns schützen sollen oder wovor sie andere schützen sollen. Ich kann mich an kein einziges Gebot erinnern, wo ich den Eindruck hatte: Gott will mich gängeln oder Gott will nur seine Macht ausüben. Alle Gebote und alle Regeln haben ihren Sinn.
Vielleicht hat der Beter des Psalms ja auch genau dies so gedacht und hat deswegen seiner Freude und Liebe zu den Geboten Gottes Ausdruck gegeben, weil er sie als Hilfe für sein Leben erfahren hatte.
Guter Vater!
Danke, dass du mir helfen willst. Amen.
Spasti (Dietrich Seiffert)
Susanne hat ein neues Schimpfwort aufgeschnappt: Spasti. „Du Spasti!" sagt sie zu Doris, wenn sie sich über ihre Freundin ärgert. Doris kennt das Wort auch, und Reinhold weiß sogar was ,Spasti' bedeutet. „Hau ab, du Spasti", schreit er den kleinen Volker Hermann an, und dann sagt er ganz laut: „Du Spastiker!"
So geht es Tag für Tag: „Blöder Spasti!" „Guck nicht wie ein Spasti!" „He, du Spasti!"
Als Frau Lohrey, die Klassenlehrerin, das hört, erzählt sie von einem Spastiker. In ihrer Straße wohnt einer, ein kranker Junge mit Muskelschwund. Die rechte Hand hängt ihm ganz verbogen am Gelenk, und der Mund ist schief, schief wie bei einem...
„Spasti!" ruft Reinhold auf seinem Platz. Er will sich totlachen über den neuen Witz.
Reinhold ist sonst in Ordnung. Für das Krippenspiel hat er eine Hauptrolle übernommen. Er ist Josef und Susanne Maria. Das Spiel soll zur Weihnachtsfeier aufgeführt werden. Hier in der Schule und vielleicht auch anderswo. „In der Birkenwaldschule", sagt Frau Lohrey, „bei den Spastikern." Reinhold sieht Susanne an, und Susanne sieht Doris an, und alle machen lange Gesichter. Spasti! denkt Reinhold, doch er sagt nichts, dafür spielt er den Josef zu gerne. Er will nur wissen, wann das sein soll. Vielleicht Weihnachten?
„Nächsten Sonntag", antwortet Frau Lohrey, „am dritten Advent. Reinhold pfeift durch die Zähne. „Also in vier Tagen!"
Am Sonntagnachmittag sind sie pünktlich in der Birkenwaldschule. Mit ihren Umhängen und Mänteln, den großen schwarzen Hüten und den langen Hirtenstäben stehen sie hinterm Vorhang auf der Bühne. Ein bisschen aufgeregt sind alle, weil sie zum ersten Mal vor Fremden spielen sollen, auch wenn es nur Spastiker sind. Und dann ist es soweit. Der Vorhang rauscht zur Seite, und vor ihnen sitzen die Spastiker, Jungen und Mädchen mit verbogenen Gelenken und schiefen Mündern. Fünfzig oder hundert könnten es sein. Reinhold bleibt stumm. Er ist so erschrocken, dass er beinahe den Anfang vergisst. Doch wie er endlich drin ist im Spiel und die Hirten das Hirtenlied singen, wird er zum zweiten Mal überrascht. Plötzlich singen die Spastiker mit. „La, la, la", summen die einen, die anderen können nur mit dem Kopf schaukeln, aber alle sind fröhlich und glücklich und ausgelassen vor Freude. Die Hirten, Susanne und Reinhold spielen dieselbe Stelle noch einmal. Die Spastiker sind ein begeistertes Publikum.
„Wir danken euch, weil ihr uns heute beschenkt habt", sagt am Schluss ein Lehrer der Birkenwaldschule zu den Kindern.
„Und wir müssen euch danken, weil ihr uns beschenkt habt", entgegnet Frau Lohrey auf der Bühne. „Wir wussten gar nicht, dass ihr so froh sein könnt." Reinhold, Susanne und Doris stehen neben ihr. Sie sind richtig stolz auf ihre Lehrerin, die solche Worte finden kann.
Eine halbe Stunde später, beim Einpacken, sucht Reinhold seinen Josefs-Hut. Volker hat ihn eingepackt. „Du Spa...", ruft Reinhold und wird puterrot. Schwups, gibt er sich einen Klaps auf den Mund. Alle lachen. Reinhold lacht mit. „Ich hab's gemerkt", sagt er.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause