Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, zu dem Jesus sie bestellt hatte. Als sie ihn sahen, warfen sie sich vor ihm nieder, doch einige hatten auch Zweifel. Jesus trat auf sie zu und sagte: »Gott hat mir unbeschränkte Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben.
Matthäus 28, 17+18
Kein Wunder, dass einige Jünger zweifelten. Sie hatten erlebt, dass Jesus gefangen genommen worden war. Sie hatten erlebt, wie er verurteilt worden war. Sie hatten gesehen, wie er an das Kreuz geschlagen wurde und gelitten hatte. Und schließlich hatten sie schmerzlich wahrgenommen, dass er verstorben war. Und nun sollte er einfach so wieder lebendig sein? Wer sollte das begreifen?
Und so sind die Reaktionen der Jünger sehr unterschiedlich als sie dem Auferstandenen begegnen. Die einen werfen sich aus Ehrfurcht und Ergriffenheit auf den Boden. Die anderen zweifeln. Ich stelle mir vor, heute würde mir so etwas völlig Unglaubwürdiges passieren. Wie würde ich reagieren? Würde ich glauben können oder würde ich zweifeln?
In so eine Situation können wir schneller kommen als wir vielleicht ahnen. Auf einmal steht eine Ärztin vor einem und sagt: „Es tut mir leid, aber sie haben nur noch eine kleine Spanne des Lebens vor sich. Die Krankheit ist zu weit vorgeschritten.“ Oder wenn auf einmal nach vielen erfolglosen Therapien die Ärztin sagt: „Ich habe es noch nie erlebt. Aber die Krankheit ist irgendwie weg. Ich verstehe es nicht.“ Zweifel oder Ehrfurcht? Zweifel und oder Ehrfurcht?
In meinem Leben habe ich mir abgewöhnt, mich über Gott und die merkwürdigen Dinge zu wundern. Krankheiten, die verschwinden; Engel, die einen abholen; Menschen als Boten Gottes. Es gibt so vieles zwischen Himmel und Erde, was wir nicht verstehen. Was bleibt? Das Vertrauen, dass Gott auf seinen ganz eigenen Wegen das Beste für mich will.
Guter Vater!
Auch wenn ich es oft nicht verstehe, möchte ich dir immer vertrauen. Amen.
Das Wunder (Ursula Burkhard)
„Was in der Bibel steht, ist vielleicht gar nicht wahr", sagte Erich, „aber wenn man ehrlich zu seiner Meinung steht, wird unser Pfarrer sauer." Der Vater sah ihn ernst an und fragte: „Wie kommst du darauf?" Erich erzählte: „Nahe bei unserem Schulhaus ist eine Sonderschule. Wir sehen immer, wie die behinderten Kinder vom Fahrer aus dem Bus ausgeladen werden. Einigen muss er nur ein wenig helfen. Andere trägt er zusammen mit den Lehrern ins Klassenzimmer. Es hat auch Kinder dabei, die im Rollstuhl sitzen. In der Bibel steht, daß Gott Kranke gesundmachen kann. Aber diese Kinder bleiben immer so."
Der Vater dachte eine Weile nach. Dann sagte er: „Heute Nachmittag besuche ich meinen Freund, Klaus Krämer. Du darfst mich begleiten und ihn fragen, ob es wahr ist, was in der Bibel steht." „Ist es ein Pfarrer?" wollte Erich wissen.
Der Vater schüttelte den Kopf: „Schreiner war er, aber jetzt kann er nicht mehr arbeiten. Er hatte einen Unfall."
Herr Krämer ging mühsam an zwei Krücken. Er war aber sehr fröhlich und machte gleich ein paar Spaße, als Erich und sein Vater kamen. Erich musste lachen und mochte ihn gleich gut leiden. Während Frau Krämer Kaffee kochte, durfte er ihn in den Garten begleiten. Helfen musste er ihm nicht, aber ganz langsam neben ihm gehen. Bei verschiedenen Blumen blieben sie stehen. Herr Krämer wusste von allen den Namen. Von jeder Pflanze hatte er etwas Interessantes zu berichten und machte Erich auf vieles aufmerksam: auf schöne Farben, besonders geformte Blätter, merkwürdige Stellungen von Blüten.
„Bei Ihnen ist es so, als gucke man sich die Welt zum ersten Mal an", staunte Erich.
„Ja", lachte Herr Krämer, „Ich habe auch erst richtig Gucken gelernt, seitdem ich nicht mehr rennen oder mit dem Motorrad durch die Gegend rasen kann. Meinem Unfall verdanke ich es, daß ich weiß, wie schön mein Garten ist. — Besonders am Morgen das Glitzern der Tautropfen, wenn die Sonne darauf scheint. Um das zu wissen, muss man langsam gehen und bei etwas verweilen können."
Jetzt nahm Erich allen Mut zusammen und fragte: „Sind Sie denn nicht traurig? Möchten Sie nicht, daß ein Wunder geschieht, wie es in der Bibel steht?" „Traurig bin ich manchmal schon", gab Herr Krämer zu. „Jeder Mensch wünscht sich, gesund zu sein und alles tun zu können wie die ändern. Aber ein Wunder hat Gott vielleicht doch an mir getan. Durch meinen Unfall bin ich ein neuer Mensch geworden — weniger unzufrieden als früher. Ich entdecke viele Freuden, für die ich vorher nie Zeit hatte." Frau Krämer hatte einen herrlichen Kuchen gebacken. Eigentlich war er für den Sonntag bestimmt, aber weil Besuch gekommen war, schnitt sie ihn schon am Samstag auf. Viel blieb nicht übrig für den Sonntag. Erich war nämlich immer sehr hungrig. Beim Essen vergaß er, weitere Fragen nach dem Wunder zu stellen.
Zu Hause meinte er: „Die Sache mit dem Wunder muss ich mir noch länger überlegen."
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause