Du allein kennst das Herz aller Menschenkinder.
1. Könige 8,39
„Man kann den Menschen immer nur vor den Kopf gucken.“ Dieses Sprichwort kennen wir. Und es drückt aus: Die wirklichen Gedanken, der wirkliche Charakter, das wirkliche Wesen eines Menschen kennen wir nicht. Es kann auch gut sein, dass er oder sie sich verstellt.
Wie oft sind wir schon von Menschen negativ überrascht worden. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer geschiedenen Frau, die in einem fürchterlichen Kampf mit ihrem ehemaligen Mann steckte. Es ging wie immer um Geld und die weitere Erziehung der Kinder. Sie war wirklich verzweifelt und sagte irgendwann: „Und ich dachte, ich habe meinen Mann gekannt. Diese Seite aber war mir verborgen geblieben.“
Und zum Glück passiert es auch anders herum, wir werden positiv überrascht. Ich erinnere mich an einen Klassenkameraden, der immer der absolute Außenseiter war. Er liebte es alleine kleine Zeichentrickfilme zu drehen, vermied aber sonst jeden Kontakt mit anderen. Als zum Abitur ein Film gedreht werden sollte, stand er auf und sagte: „Ich bin der Regisseur.“ Und dann suchte er MitspielerInnen aus.
Nur einer kennt uns wirklich ganz und gar. Der, der uns alle ins Leben gerufen hat, kennt uns ganz genau. Vielleicht kennt er uns besser als wir uns selber kennen. Er sieht in unsere geheimen Ecken. Er sieht alle bösen und guten Gedanken. Wir können zwar versuchen, etwas vor ihm zu verstecken, aber das ist völlig sinnlos.
Das, was mich dabei wundert und freut. Obwohl er alle meine miesen Züge kennt, liebt er mich trotzdem. Anscheinend ist sein Bild von mir doch besser als mein eigenes Bild von mir.
Guter Vater!
Wie gut, dass du mich kennst und liebst. Amen.
KLEINE SÜNDEN… (Dr. Mathias Bieberbach)
Sommer 1992 :
Es war eines unserer üblichen Wochenenden gewesen :
Statt faul im Garten zu liegen und sich durch süßes Nichtstun zu erholen hatten wir unserer üblichen Neigung nachgegeben, sogenannten Verpflichtungen nachzukommen.
Sonntag Vormittag ( der Sonntag beginnt bei uns so gegen 6 Uhr früh mit Isas unmissverständlichen Schrei KAKAO !!!) war wie jeden Tag nicht ans Ausschlafen zu denken.
Nachdem Isa ihr Frühgetränk mit dem um diese Zeit für sie üblichen Grant huldvoll entgegengenommen hatte, war ich wach. Wenn ich erst einmal wach bin, ist an eine Wiederaufnahme der vorangegangenen Beschäftigung (hier: Tiefschlaf) nicht zu denken, also bin ich gleich aufgestanden, habe mir meinen Tee gekocht und bin ins Arbeitszimmer gegangen, um einige Rechnungen für die Praxis zu überweisen und einige liegengebliebene Gutachten zu schreiben.
So gegen Acht ist dann der Rest der Familie wach gewesen ( gemeinerweise kann Isa meist problemlos mit dem Kakao im Bauch wieder einschlafen) . Ein Blick in den Garten zeigte, daß der Rasen dringend einer intensiven Maniküre bedürfe und das Unkraut mal wieder sehr viel vitaler wuchs als das, was wir an Blumen etc. mit großer Mühe angepflanzt hatten.
Also wurde erst mal zwei Stunden Gartenarbeit verrichtet.
Wir haben auf unserem Grundstück eine alte Weißdornhecke. Weißdorn- wie der Name schon sagt- gehört zu den Dornensträuchern. Ich hatte gerade den veritablen Stammvater einer ganzen Generation von Brennnesselpflanzen mit Mühe und auf allen Vieren kriechend aus seinem Versteck mitten in einem Weißdornbusch gerodet und überlegte, was mit der Pflanze in meiner Hand zu tun sei. Da gerade niemand zu sehen war, entschied ich mich für die schnellstmögliche Entsorgungsmöglichkeit:
Mit Schwung über den Zaun zum Nachbarn. (Den Nachbarn mögen wir nach gewissen Auseinandersetzungen nicht gerade gern, da tut es manchmal gut, wenn man eine über und über mit ausgereiften Samen besetzte Brennnessel über den Zaun wirft. Man kann sich dann so genüsslich ausmalen, wie viel Mühe es ihm machen wird, im nächsten Jahr der Brennnesselplage Herr zu werden).
Gott sieht alles. So auch diese kleine Gemeinheit meinerseits. Jedenfalls hat er meine Hand so gelenkt, daß in der Sekunde, in der die Nessel über den Zaun flog, sich ein dicker Dorn des Weißdornbusches genau über dem Mittelgelenk in meinen rechten Zeigefinger bohrte.
Ich habe die Strafe mit Demut angenommen, den Dorn mit den Zähnen rausgezogen und die Sache zunächst vergessen.
Den Sonntag Nachmittag verbrachten wir dann (es war der heißeste Tag des Jahres, so um die 33 Grad Celsius, dabei angenehm drückend schwül) im Wohnzimmer von Freunden anlässlich des zweiten Geburtstags von Carmens Patenkind beim Kaffeetrinken mit einer Blase von stark nach 4711 duftenden Omas. Carmen war der Meinung, wir seien eingeladen, außerdem sei es schließlich ihr Patenkind, also wurde nichts aus dem von mir alternativ empfohlenen Ausflug ins nächste Freibad. Übliche Verpflichtungen eben, denen man sich einfach nicht entziehen kann.
Bakterien und Brennnesselsamen haben gemeinsam, daß man sie im Allgemeinen erst bemerkt, wenn sie sich kräftig vermehrt haben und fröhlich wachsen.
Ich habe keine Ahnung, was aus der Gründüngung geworden ist, die ich dem Nachbarn so uneigennützig und kostenlos zur Verfügung gestellt habe. Was aus den unvermeidlichen Mikroben wurde, die auf dem Dorn gesessen haben, konnte ich am Montag früh so gegen 3 Uhr nachts ganz genau feststellen: Mein Fingergelenk riss mich just um diese Zeit sehr unsanft aus dem Schlaf. Es war auf dreifachen Umfang angeschwollen, heiß, pochte im Dreivierteltakt und schmerzte höllisch.
Manchmal bewundere ich meine Weitsicht, eine Krankenschwester geheiratet zu haben.
Meine Frau (wie Kishon sagen würde: die Beste von Allen) war sofort ganz in ihrem Element, brachte mir einen kühlenden Eisumschlag und suchte mir aus dem Wust von Pillen in unserer Hausapotheke das lebensrettende Penicillin, daß sie mir sofort in hoher Dosierung einflößte.
Diese Maßnahmen brachten dem geschundenen Finger sofort eine gewisse Linderung und haben im Endeffekt sogar die Heilung nach einigen Tagen bewirkt.
Wie im Beipackzettel angedroht, kam es allerdings zu einigen “ im Allgemeinen leichten Nebenwirkungen, die nach Absetzen des Medikamentes rasch wieder abklingen“….
Punkt sechs begann der Durchfall, der sich freundlicherweise vorher durch heftige Darmkrämpfe ankündigte, so dass ich – vorgewarnt- rechtzeitig das gewisse Örtchen aufsuchen konnte.
Am Montag war ich wie immer pünktlich um halb acht in der Praxis zur Sprechstunde.
Mein Zeigefinger war dick geschwollen, schmerzte höllisch, der Darm rebellierte abwechselnd mittels Krämpfen und imperativem Stuhldrang. Ich hatte in der vorangegangenen Nacht knapp 4 Stunden geschlafen und fühlte mich insgesamt “ den Umständen entsprechend“.
Am nächsten Tag hörte ich, wie eine meiner Mitarbeiterinnen (ja, ja: auch alle die Besten von Allen) zu ihrer Kollegin sagte “ hoffentlich hat der Chef heute bessere Laune als gestern“.
Ich ging in mich, ließ den Sonntag noch einmal vor meinem inneren Auge Revue passieren und erinnerte mich an den alten Lieblingsspruch meiner Mutter:
Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.
www.bieberbach.de/privat/kurzgeschichten/
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause