Sorge für dein Volk, HERR, wie der Hirt für seine Herde!
Micha 7,14
Der Prophet Micha vergleicht Gott mit einem Hirten und das Volk Israel mit einer Herde Schafe. Zwei Zeilen weiter heißt es dann: „Führe uns, deine Herde, auf die fetten Weiden von Baschan und Gilead wie in alten Zeiten! Vollbringe Wundertaten wie damals, als du mit deinem Volk aus Ägypten zogst!“ Auch Jesus hat dann das Motiv des guten Hirten aufgenommen.
Ja, ich glaube Menschen brauchen ein fürsorgliches Kümmern von anderen Menschen. Und das bedeutet, dass jemand nachfragt: Wie geht es dir? Und dass er auch wirklich eine Antwort haben will und zuhört. Es braucht Trost, Aufmerksamkeit, Hinwendung. Es braucht ein Interesse an dem anderen, eine Zuneigung, das Gefühl, nicht egal zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass dies jede Seele braucht.
Und genau dies ist eine ganz wichtige Aufgabe von uns in der Gemeinde und als Christinnen und Christen. Wenn der Besuchsdienst einmal im Jahr alle Gemeindeglieder in Weckhoven und Hoisten ab 75 Jahren besucht, dann ist das auch eine Botschaft: „Du bist nicht vergessen!“ Und wie wichtig ist für viele der Austausch nach dem Gottesdienst. Alleine auch ein Anruf „Wo waren Sie letzte Woche. Ich habe Sie vermisst“ kann so entscheidend und wichtig sein.
Ja, es ist gut, dass wir aus ganzem Herzen verkünden können: Gott liebt dich und du bist ihm nicht egal. Diese Liebe macht Mut, gibt Kraft. Und doch braucht es auch die Aufmerksamkeit von Menschen.
Vielleicht achten wir in Zukunft einmal etwas mehr darauf, ob uns einsame Menschen begegnen. Braucht die Nachbarin mal ein nettes Wort? Ist die Frau am Nachbargrab immer alleine? Es braucht gar nicht viel, um einem Menschen ein gutes Gefühl zu geben.
Guter Vater!
Hilf mir, die Menschen zu sehen, die ein gutes Wort brauchen. Amen.
Die alte Frau Schatt (Rudolf Otto Wiemer)
Die alte Frau Schatt war drei Wochen krank,
sie lag zwischen Waschtisch und Kleiderschrank
in ihrem Bettzeug aus gelbem Linn
und wimmerte leise vor sich hin.
Die Busklingeln schrillten, die Sonne schien warm,
die Kinder spielten Prinzess und Schandarm.
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Sechs Familien wohnten im gleichen Haus,
die gingen geschäftig ein und aus,
jeder in Eile, jeder in Hatz.
Nur manchmal auf dem Treppenabsatz
blieb einer stehen, verschnaufte im Lauf:
„Schon gehört? Bei Karstadt ist Schlussverkauf!"
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Im Fernsehen, klar, da ist man im Bild,
da sitzen sie stumm und glotzen wild:
Tatort, Der Chef, XYZ,
Flipper, Sportreportage, Ballett.
Und hier ist Krieg und dorten brennt's!
In Ottawa tagt die Geheimkonferenz.
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Und als man sie fand, die alte Frau Schatt,
da drückten die Kinder die Nasen platt
am Fenster und sahen sie klein und bleich
verhutzelt liegen im Bett als Leich
mit zahnlosem Mund und knochigem Arm -
dann spielten sie wieder Prinzess und Schandarm
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt?
Am Grabloch stand ein Pfarrer bestellt,
der Küster hat mit der Glocke geschellt.
Es regnete. Keine Blume, kein Kranz.
Nur ein Hündchen mit eingezogenem Schwanz,
ein verirrtes, kläfft in die Grube hinab,
und der Wärter brummelt erbost: „Hau ab."
Wer fragt schon in der großen, großen Stadt
nach der alten Frau Schatt,
nach der alten Frau Schatt?
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause