Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?
Lukas 6,46
Jesus wird deutlich. Wenige Verse vorher erzählt er ein Gleichnis. Von einem guten Baum gäbe es keine faulen Früchte und andersherum. Und dann spricht er direkt die Menschen an und wirft ihnen Unglaubwürdigkeit vor. Sie würden sich an ihn wenden, Herr nennen, aber nicht tun was er ihnen sage.
Ich glaube das kennen wir alle: Das nicht zu tun, was man eigentlich selber sagt. Das ist ein uraltes Problem seit es Menschen gibt. An anderer Stelle sagt Jesus einmal: „Du siehst den Splitter im Auge deines Nächsten, aber den Balken in deinem Auge siehst du nicht.“
Warum aber tun wir das so? Ich glaube, es hängt mit dem Selbstbildnis zusammen. Wir wollen alle gerne ein positives Bild von uns selber haben. Da wir aber oft an unseren eigenen Ansprüchen scheitern, sehen wir sehr gnädig über unser Scheitern hinweg. Was wir bei andere kritisieren, ist bei uns gar nicht so schlimm. Doch die Frage bleibt dann: Wer sind wir denn dann eigentlich, der, der wir sind oder der, der wir sein wollen?
Diesen Spiegel bekommen wir heute vorgehalten. Und eine Aufforderung gibt es gleich mit dazu: Schau doch einfach mal genau hin. Ich, Gott, will dich gar nicht perfekt. Ich mag dich mit deinen Fehlern und deinem Scheitern. Aber ich mag es nicht, wenn du unehrlich bist – zu dir selbst und anderen gegenüber. Denn dann bist du nicht du selbst. Und ich habe gerne Kontakt mit dir selbst und nicht mit einem Wunschbild, das an sich selbst verzweifelt. Glaube mir einfach, wenn ich dir sage: Du bist so okay, wie du bist. Du musst nicht anders sein. Wenn du ehrlich bist, dann kannst du das Leben ganz anders leben, dann musst du nicht dauernd weggucken.
Guter Vater!
Danke, dass du zu mir und meinen Fehlern stehst. Amen.
Das neue Spiel (Eva Rechlin)
An einem Sonntag, als die Familie am Frühstückstisch sitzt und Krischan an seinem Marmeladenbrot kaut und kaut, sagt sein Vater: „Ich weiß ein neues Spiel. Heute will ich mich einmal genauso benehmen wie Krischan."
Krischan ist von dem Einfall begeistert und ruft: „O ja, Vati, fang mal gleich damit an!"
Der Vater nickt, und Krischan beobachtet ihn gespannt. Was wird er jetzt wohl tun?
Der Vater nimmt sein Marmeladenbrot in die Hand, macht einen großen Happ, stippst dabei die Nase in die Marmelade, und nun kaut er. Er kaut und kaut, ganz langsam. Fast eine halbe Stunde lang isst er an einer Schnitte.
„Beeil dich!" sagt Krischan. „Du wolltest doch nachher mit mir spielen."
Der Vater kaut an seinem letzten Bissen ruhig weiter. Als er endlich fertig ist, sagt die Mutter zu ihm: „Eine Scheibe Brot ist aber zu wenig, iss noch eine zweite!"
Der Vater schiebt die Unterlippe vor und antwortet: „Ich mag nicht!" — „Aber ich meine es doch nur gut!" ruft die Mutter. Der Vater stampft mit dem Fuß auf und ruft: „Ich mag aber nicht!" Jetzt wird es selbst dem kleinen Krischan zu dumm. „Wirst du wohl gehorchen?" sagt er streng, als sei er heute Vater. Da zieht der Vater sein Gesicht zusammen und tut, als heule er: „Huhuhuuu, wenn ich doch nicht mehr mag!"
Es dauert noch eine Weile, bis sie den Vater dazu bringen, eine zweite Brotscheibe zu nehmen. Und als sie ihn endlich so weit haben, bohrt er verdrießlich mit dem Messer in der Butter herum, löffelt das halbe Marmeladenglas leer, so daß ein schwabbelnder Musberg auf seiner Brotscheibe liegt. Dann leckt er zum Überfluss noch das Messer mit der Zunge ab.
„Pfui, pfui, pfui!" ruft Krischan da empört. „So etwas tut man nicht! Nimm uns doch nicht die ganze Marmelade weg!" Der Vater tut so, als höre er gar nicht hin. Er hebt die Brotscheibe mit dem Musberg auf, und — schwupp, da kleckert es auch schon herunter.
„Das ist ja schrecklich, wenn du so frühstückst!" ruft Krischan. „Erst kaust du stundenlang, so daß Mutter den Tisch nicht abdecken kann. Dann willst du nichts mehr essen und stampfst und heulst. Dann nimmst du uns die ganze Marmelade weg und leckst das Messer ab. Jetzt kleckerst du auch noch! Willst du an dieser Brotscheibe vielleicht auch wieder eine Stunde lang herumkauen?" Krischan ist wütend auf seinen Vater.
„Gewiss doch", sagt der Vater, „und pass mal auf! Gleich werde ich auch noch das Milchglas umstoßen. Nase und Hände werde ich hinterher auch nicht abwaschen. Ich spiele doch Krischan! Hast du das vergessen?"
Krischan hält sich beide Ohren zu. „Das hält ja kein Mensch aus", stöhnt er.
Da lacht die Mutter laut, und auch Vater muss lachen. „Doch!" rufen sie. „Wir müssen das fast jeden Tag aushalten, und zwar mit dir!" Eine Weile ist Krischan verblüfft. Er denkt nach. Und zuletzt muss er sogar selbst lachen, weil Vater so gut gespielt hat.