Ich hatte eine solche Zuneigung zu euch, dass ich bereit war, nicht nur Gottes Gute Nachricht mit euch zu teilen, sondern auch mein eigenes Leben. So lieb hatte ich euch gewonnen.
1. Thessalonicherbrief 2,8
Glauben verbindet. Glauben verbindet auf eine sehr natürliche und private Art. Das haben wir jetzt wirklich zutiefst auf der Reise nach Namibia gespürt als wir unsere Partnergemeinden besucht haben. Zwischen vielen Gemeindegliedern in Namibia und uns lagen Welten. Viele von ihnen schlage sich mühsam durchs Leben. Obst und Gemüse sind für sie seltene, weil teure Genüsse. Eine Rentnerin bekommt umgerechnet gerade einmal 70,- € im Monat an Rente. Das ist auch in Namibia zu wenig. Ihre Art des Gottesdienstes ist anders, länger ekstatischer. Und doch haben wir es jedes Mal gespürt: Wir gehören zusammen. Wir sind Teil einer großen Familie. We are brothers and sisters. Und so waren die Begegnungen durch eine Nähe geprägt, die ich so gar nicht erwartet hatte.
Wir spürten in Namibia, dass wir auch selber sehr durch die Begegnungen berührt waren. Der lutherische Bischof, der ganz alleine in seinem Verwaltungshaus saß und mit niemanden zusammenarbeiten wollte, haben wir nicht verstanden. Die arbeitslosen Näherinnen, die ohne eigenes Verschulden ohne Strom und Arbeit waren, haben unser Mitgefühl erregt. In der armseligen Hütte waren wir fast sprachlos angesichts des Elends. Und die Musik, die herzlichen Umarmungen, der Gesang der Bridgewalker, das Lachen der Menschen, ihre Lebensfreude, ihre unbändige Hoffnung haben uns angesteckt und reich gemacht.
Wer Christin und Christ ist, ist Teil einer großen Familie. Wir sind Teil einer Gemeinschaft unter Gottes Segen und unter Gottes Geist. Dies gibt uns Verantwortung und macht uns irrsinnig reich.
Guter Vater!
Ich bin so froh, Teil einer großen Familie zu sein. Amen.
Das Dörfchen Terra
Ganz am Ende dieser Welt liegt Terra, ein kleines Dörfchen. Vor Jahren sind viele Menschen dorthin gekommen: Australier und Afrikaner, Asiaten und Amerikaner. Sie sind gekommen, weil Terra zu einer großen Stadt ausgebaut werden sollte. Doch die breiten Straßen, die Terra mit vielen Städten verbinden sollten, wurden nicht gebaut. Und so blieb Terra ein kleines Dörfchen, weit entfernt von den anderen Städten dieser Welt. Die Menschen in Terra leben wie auf einer Insel. Kaum einer besucht sie, aber sie sind glücklich und zufrieden. Da nun die Menschen in Terra alle Hautfarben dieser Welt haben, weil sie aus allen Ländern dieser Erde zusammengekommen sind, bleibt es nicht aus, dass sich Schwarze und Weiße, Rote und Gelbe mit den Braunen vermischen. Die Schwarzen heiraten aber auch die Roten und die Weißen die Gelben. Und die Kinder der Schwarzen und Roten ehelichen die Nachkommen der Gelben und Weißen. Die Enkelkinder lieben Braunrotgelbschwarzweiße. Bald haben die Menschen nur noch eine Hautfarbe und keiner weiß mehr, welche einmal seine Urururururgroßeltern hatten. Die Menschen sind Terraner geworden. In diesem Dörfchen lebt auch das Mädchen Jessica mit seinen Eltern. Die Umstände wollen es, dass seine Eltern Terra verlassen müssen. Jessica ist darüber sehr traurig. Sie muss in eine große Stadt ziehen, die hinter den hohen Bergen liegt, weit entfernt von ihrer Heimatstadt. In Terra besucht Jessica die dritte Klasse. Folglich geht sie auch in der großen Stadt in das dritte Schuljahr. Hier sitzen weiße und schwarze Kinder, aber nicht weißschwarzgelbbraunrotweiße Kinder wie in Terra. Alle Kinder wundern sich über Jessica. Noch mehr staunt der Lehrer, als er Jessica fragt: „Welcher Religion gehörst du an?" Jessica zuckt hilflos die Schultern, denn sie weiß keine Antwort auf diese Frage.
„Nun", hilft der Lehrer, „du musst doch wissen, zu welchem Gott ihr gebetet habt, zu Allah oder zu Shiva, zu Manitou oder zu Jahwe?"
Da leuchten Jessicas Augen, denn diese Frage kann sie beantworten.
„Wir haben", sagt sie, „zu Gott gebetet." „Aber zu welchem Gott?", will der Lehrer wissen. „Gibt es denn mehrere Götter?", fragt Jessica verunsichert. Nun wird auch der Lehrer unruhig.
„Eigentlich nicht!", brummt er, „alle Menschen beten zu Gott im Himmel."
„Das haben auch wir getan", strahlt Jessica, „in der kleinen Kirche in unserem Dorf, die mitten auf dem Marktplatz steht. Wir haben um Regen gebetet und für die Ernte gedankt." Der Lehrer schaut Jessica unwirsch an. Da er sich keinen Rat mehr weiß, führt er sie zum Direktor. Der stellt dieselben Fragen und Jessica gibt dieselben Antworten. Der Direktor schweigt, grübelt, dicke Falten bilden sich auf seiner Stirn. Plötzlich leuchten seine Augen, denn er hat eine Idee und er fragt: „Was haben dir deine Eltern und Lehrer von Gott erzählt?"
„Dass Gott alle Menschen in Terra lieb hat", antwortet Jessica, dann sieht sie nachdenklich den Lehrer und den Direktor an. „Ich glaube", fügt sie zögernd hinzu, „auch die Menschen, die nicht in Terra wohnen." „Und weiter", drängt der Direktor.
„Weil Gott alle Menschen lieb hat, dürfen auch die Menschen ihn lieb haben. Und weil Gott die Menschen lieb hat, sollen auch die Menschen einander lieb haben." Jessica schweigt, der Lehrer schweigt, der Direktor schweigt.