Vornehme wie Geringe sind darauf aus, sich zu bereichern. Propheten wie Priester täuschen das Volk: Sie tun so, als wären die Wunden meines Volkes nur leichte Schrammen. ›Alles steht gut‹, sagen sie, ›alles ist in Ordnung.‹ Aber nichts steht gut, nichts ist in Ordnung!
Jeremia 6, 13+14
Manchmal denkt man, die Bibel sei erst gestern geschrieben. Irgendwie würden die Sätze des Jeremia auch gut auf den Wahlkampf 2025 passen. Da versuchen auch manche PolitikerInnen uns zu sagen „Alles ist gut!“ Und dabei sind die Menschen gar nicht so dumm, sondern merken, welche Probleme unser Land belasten. Und Menschen, die sich lediglich bereichern wollen gab und gibt es immer.
Warum ist es eigentlich mit der Wahrheit so schwierig? Warum hören wir lieber schönen Lügen zu? Nun, die Wahrheit ist oft einfach unangenehm. Würde jemand gewählt werden, der oder die sagt: „Unser Schienennetz ist marode, unsere Straßen sind kaputt, unser Gesundheitssystem ist renovierungsbedürftig, die Schulen und Unis haben Probleme, die Ukraine braucht Waffen und Geld, es gibt zu wenig Wohnungen. Und alles auf einmal kriegen wir nicht hin!“
Das wäre ehrlich und würde bedeuten, dass wir ein Stück von unserem Wohlstand abgeben müssen. Hören wir gerne die Wahrheit? Ich glaube Nein. Wir lassen uns gerne täuschen mit Sätzen wie „Wir machen Deutschland wieder groß!“
Schade, denn die Wahrheit, auch wenn sie schmerzlich ist, eröffnet die Möglichkeit, Dinge wirklich anzugehen und zu verändern. Dazu fordert Jeremia seine Mitmenschen auf. Lasst das Taktieren und Schönreden. Werdet endlich ehrlich zu euch uns eurem Gott. Erst dann habt ihr eine gute Zukunft. Und tatsächlich als Israel sich besinnt, findet es zu sich und seinem Gott zurück.
Guter Vater!
Hilf uns in der Wahrheit zu leben. Amen.
Die Notlüge
Samuel Keller erzählt in seinen Erinnerungen: „Als ich einen schwer kranken Mann besuchte, der das Abendmahl von mir erbeten hatte, traf ich den Arzt am Krankenbett und fragte ihn auf Lateinisch, wie es um den Mann stehe. Ebenfalls auf Lateinisch sagte mir der Arzt, dass der Mann die Nacht nicht überlebe. Dann tröstet der Arzt den Mann mit einer guten Medizin und macht ihm Hoffnung auf Besserung. Als der Arzt gegangen war, sah mich der Mann mit klaren Augen an und sagte: Herr Pastor, Sie werden mich nicht belügen, was sagte der Arzt, wie es um mich steht?
Als ich es ihm schonend erklärt hatte, bat der Mann seine Frau, die beiden Jungen aus der Fabrik zu holen, damit er vor dem Abendmahl noch mit ihnen reden könne. Ich unterhielt mich mit dem Mann. Und bald darauf kamen Mutter und die Söhne in das Krankenzimmer. Jetzt hat der Sterbende einen Abschied mit seinen Jungen gemacht, der eines Königs würdig gewesen wäre. Was er ihnen über die wichtigen Dinge des Lebens ans Herz legte, wie er über ihre Aufgabe an der Mutter und den kleinen Geschwistern mit ihnen sprach, war ergreifend, und tief bewegt knüpfte ich daran an und wir feierten alle zusammen das Abendmahl. Ein tiefer Friede zog in die Herzen und das Haus ein, und versöhnt konnte der Mann noch in der Nacht heimgehen.
Das wäre bei einer Notlüge nicht geschehen, wenn ich dem Beispiel des Arztes gefolgt wäre. Haben nicht gerade Sterbende ein besonderes Recht auf Wahrheit und Liebe?"
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause