Jakob erwachte aus dem Schlaf und rief: »Wahrhaftig, der HERR ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht!« Er war ganz erschrocken und sagte: »Man muss sich dieser Stätte in Ehrfurcht nähern. Hier ist wirklich das Haus Gottes, das Tor des Himmels!
Genesis 28, 16+17
Jakob ist als Nomade unterwegs. Er übernachtet auf dem freien Feld. Im Traum sieht er eine Himmelsleiter, auf der Engel auf die Erde hinabsteigen und wieder hochklettern. Als er erwacht, ist er sich sicher, dass dieser Ort ein besonderer Ort, ein heiliger Ort ist. Er nennt ihn Bet-El (Haus Gottes).
Auch wir kennen besondere Orte. Der Ort, wo man seine(n) Partner(in) das erste Mal geküsst hat. Die Kirche, in der man geheiratet hat, das Kind getauft wurde. Orte der Kindheit. Orte der Erholung, der Ferien. Orte, an denen uns Gott ganz nahe war.
Für mich ist einer dieser besonderen Orte das kleine Dorf Taizé im Burgund. Hier ist der Orden der Brüder von Taizé, die seit Jahrzehnten junge Menschen aus aller Welt einladen, gemeinsam mit ihnen zu beten und zu reden. Dieser Ort mit seiner besonderen Atmosphäre und der beeindruckenden Kirche ist für mich ein spezieller Ort.
Nun haben wir Evangelischen es ja nicht so sehr mit dem „Heiligen“. Heilige Orte kennen wir eigentlich nicht. Unser Altar ist ein Tisch, unsere Kirchen besondere, aber keine heiligen Orte. Die Orte werden erst dadurch besonders, dass an ihnen eine besondere Begegnung, ein besonderes Ereignis stattfinden: Ehe, Kuss, Taufe, Heimat. Besonders gilt dies für die intensive Begegnung mit Gott. Und diese Begegnung kann schlicht überall stattfinden: Am Meer, in der Kirche, im Wald, im Bett, beim Schlaf, im Supermarkt. Gott findet uns da, wo er uns begegnen will. Was es braucht? Eine offene Seele.
Guter Vater!
Ich möchte dir so gerne oft begegnen. Amen.
Buddha und die Klangschale (Long Tai Fei)
Zu der Zeit , als Buddha noch als Mensch auf der Reise war, kam er an einen Weg, der zu einem sehr hohen Berg führte. In der Ferne hörte er ein Rauschen, von dem er vermutete, dass es von einem Wasserfall stammen könnte. Neugierig, was es wohl mit dem Wasserfall auf sich hat, folgte er dem Weg. Er führte ihn den Berg hinauf. Aber es war ein langer Weg. Es gab noch keine Autos oder Fahrräder zu der Zeit. Er brauchte ganze zwei Tage dafür. Als er schließlich ankam, betrachtete er staunend das Wunderwerk der Natur:
Der Wasserfall war so klar und rein, dabei so wunderschön in die Natur gebettet, dass er selbst ihm ehrfürchtig entgegentrat. Buddha beschloss daraufhin, unter diesem Wasserfall zu meditieren, um die Schönheit und Kraft dieses Platzes auch in sich zu fühlen und aufzunehmen. Nach ein bis zwei Tagen der Stille wollte er wieder aufbrechen, um anderen von diesem besonderen Ort zu erzählen. Da hatte er eine Idee. In seinem spärlichen Gepäck hatte er eine Klangschale. Nun nahm er diese Schale heraus und erhoffte, dass er mit ihrer Hilfe das Geräusch des Wassers in der Schale einfangen könnte. Er stellte die Klangschale auf einen Felsvorsprung unmittelbar vor dem Wasserfall. Als er sie nun anschlagen wollte, um den Klang des Wassers einzufangen, rutschte die Schale den Felsen hinunter. Sie begann zu rollen und zu rutschen. Sie rollte den ganzen Weg, den er gegangen war hinab. Schnell lief er hinterher, um sie einzufangen. Doch je schneller er lief, desto schneller wurde auch die Klangschale.
Doch irgendwann blieb auch die Klangschale liegen. Als Buddha sie schließlich vollkommen außer Atem erreicht hatte, musste er sich erst mal setzten. Nach einer kleinen Weile begann er sich umzuschauen, wohin ihn denn die Klangschale gebrachte hatte.
Die Klangschale lag unterhalb eines Höhleneinganges, den er bislang noch nicht gesehen hatte. Neugierig hob er die Klangschale auf und betrat mit ihr die Höhle. Staunend blickte er um sich. Die Höhle strahlte in hellem Licht und war voller Kristalle, die in den Wänden eingelassen waren. Es schien, als würden die Kristalle die Höhle erleuchten.
Er fand einen schönen Platz, an dem er nun die Klangschale spielte. In diesem Moment geschah etwas Seltsames. Er hörte tatsächlich das Rausches des Wasserfalls in der Klangschale. Durch die wunderbare Akustik der Höhle klang dieser aber noch schöner, als zuvor.
Als die Höhle nun diesen Klang hörte, begann auch sie zu schwingen und ein herrliches Lichterspiel entstand. Dann wurde es still. Die Schale klang aus. Da sah er in der Ecke der Höhle in einer Einbuchtung, dass wie von Zauberhand Wasser hervorsprudelte.
Voller Ehrfurcht und Respekt sprach er dann zu sich: „Wenn wir selbst im Einklang mit uns und der Natur sind, so hält sie Geschenke für uns bereit, von denen wir bislang noch nicht einmal zu träumen gewagt haben.“ Er verneigte sich und sein Herz hüpfte vor Freude, als er die Höhle wieder verließ.
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