Ich aber hatte dich gepflanzt als einen edlen Weinstock, ein ganz echtes Gewächs. Wie bist du mir denn geworden zu einem schlechten, wilden Weinstock?
Jeremia 2,21
Jeremia bringt ein sehr eindrückliches Bild zum Ausdruck, um das Verhältnis von Israel zu seinem Gott zu beschreiben: Ein ehemals bewusst gepflanzter Weinstock verwildert und verliert dadurch seinen Wert. Damit sagt Jeremia: Wenn ihr zu anderen Göttern betet, dann verliert ihr die einzigartige Beziehung zu eurem eigenen Gott.
Mich bringt dies zum Nachdenken: Jede Beziehung muss gepflegt werden. Sowohl die Beziehung zwischen Menschen als auch die Beziehung zwischen Gott und den Menschen. Wir kennen dies: Wenn wir Freundschaften z.B. nicht immer wieder erneuern, dann verlieren sie an Intensität, dann geht die Intimität verloren. Der oder die andere möchte doch Anteil haben daran wie es mir geht. Und gleichzeitig möchte er oder sie auch, dass ich weiß wie es ihr / ihm geht. Es braucht den Austausch damit man innig verbunden bleibt.
Genauso ist es auch in der Beziehung mit Gott. Es braucht den Austausch mit Gott. Er will von mir erfahren wie es mir geht, will von den Sorgen, Ängsten und Freuden hören. Und ich brauche immer wieder das Wort des Trostes, das Wort des Mutes, das Wort der Liebe. Wenn ich diese Beziehung nicht pflege, dann wird sie mit der Zeit immer distanzierter.
Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied in der Beziehung zu Gott zu den Beziehungen der Menschen untereinander: Menschliche Beziehungen können manchmal nicht erneuert werden, wenn sie sich verloren haben. Zu Gott aber kann ich jederzeit wieder neu kommen. Er freut sich immer, wenn ich mich nach einer Zeit der Funkstille wieder bei ihm melde.
Guter Vater!
Danke, dass deine Hand immer ausgestreckt bleibt. Amen.
Kettenreaktion
„Ich darf Samstag nicht zu Stefans Fete gehen", brüllt Britta wütend ins Telefon.
„Warum nicht?", fragt Franziska.
„Mein Vater ist zum Elternsprechtag gegangen. Die Zimpel hat ihm alles erzählt, die ganze Wahrheit. Sie hat dann gesagt: ,Wenn ich in Englisch noch eine Fünf schreibe, werde ich nicht versetzt.'"
„Wie hat dem Vater reagiert?"
„Er hat Stubenarrest angeordnet. Ich muss so lange im Haus bleiben, bis meine Versetzung gesichert ist. Darum darf ich ja nicht auf die Party."
„Was willst du jetzt machen? Und was meint Roland dazu?"
„Dem habe ich es noch gar nicht gesagt. Der wird verrückt, wenn ich am Samstag nicht mitkomme. Vielleicht geht er dann mit Anne zu der Fete. Das würde mir noch fehlen."
„Du darfst dir das nicht gefallen lassen!"
„Was soll ich denn machen?"
„Ich überlege mir etwas, ich melde mich nachher bei dir."
Britta legt den Hörer auf und zieht das Vokabelheft aus der Schultasche. Sie lernt. Nach einer Stunde klingelt das Telefon. „Ja!"
„Ich bin es, Franziska. Ich habe eine gute Idee." „Und?"
„Dein Vater ist doch ein Videonarr. Seine Filme gehen ihm über alles. Heute Abend will er seinen Kollegen den letzten Urlaubsfilm zeigen." „Ja und?" „Lösch ihn!"
„Du meinst, ich soll den Film vom Traunsee vernichten? Er würde wahnsinnig! Nicht auszudenken, wenn seine Wanderung auf den Feuerkogel, seine Bootsfahrt über den See, sein Besuch in der Kirche von Gmünden nicht mehr existieren würden. Drei Tage hat er an den Schnittarbeiten gesessen. Von der Nachvertonung will ich gar nicht reden." „Lösch ihn!"
„Das geht gar nicht, er hat die Kassette gesichert." „Du meinst, er hat auf der Rückseite die Lasche herausgebrochen?"
„Ja, das macht er immer, damit das Band nicht aus Versehen überspielt werden kann."
„Klebe ein Stückchen Tesafilm über diese Stelle und dann nimm irgendeine belanglose Ratesendung vom Fernsehen auf. Das funktioniert! Aber vergiss nicht, den Tesafilm nachher wieder zu entfernen. Dann warte ab!" „Was soll das bringen?"
„Mach, was ich dir sage! Ich koche ihn dir weich! Du wirst sehen, du hast bald wieder Ausgang. Vertrau mir! Ich habe Erfahrung in solchen Dingen."
Britta legt den Hörer auf. Sie zögert, die Kassette aus dem Schrank zu nehmen. Dann befolgt sie den Rat ihrer besten Freundin.
Der Abend endet in einem Debakel. Als Brittas Vater den Film vorführen will, zeigt er anstelle des geliebten Urlaubsstreifens eine nichts sagende Quizsendung. Seine Kollegen grinsen. Als Fachmann erkennt er sofort, dass dieses Band manipuliert wurde. Das konnte nur Britta gemacht haben. Außer sich vor Wut, Zorn und Entrüstung greift er zur Hundeleine und schlägt zu. Vier- oder fünfmal fährt der Lederriemen über Brittas Rücken, die vor Schmerzen aufschreit. „Monate", brüllt der Vater, zitternd vor Erregung, „hast du jetzt Stubenarrest." Dann wendet er sich mit Blicken der Verachtung von seiner Tochter ab.
Britta kühlt ihre Wunden, als sie wieder bei ihrer Freundin anruft.
„Einen irrsinnigen Rat hast du mir gegeben. Ich habe meinen Vater nur noch wütender gemacht. Er hat mich mit der Hundeleine verprügelt. Jetzt darf ich erst recht nicht zur Fete kommen."
„Es hat geklappt", jubelt Franziska. „Was hat geklappt?"
„Morgen nach der Schule gehen wir zum Jugendamt und zeigen deinen Vater an. Ich begleite dich. Von jetzt an frisst er dir aus der Hand, das versichere ich dir. Denn was fortan mit ihm geschieht, hängt von deinen Aussagen ab. Ich kenne das." Wenige Tage später erhält Brittas Vater einen Brief vom Jugendamt. Seine Hände zittern, als er das Schreiben liest.