Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort und sagen: Wann tröstest du mich?
Psalm 119,82
Richtiger und ehrlicher Trost ist wirklich nicht einfach zu finden. Dies gilt besonders dann, wenn einem wirklich elend zu Mute ist. Dann hagelt es meist Durchhalteparolen: „Halt die Ohren steif.“ „Wird schon noch besser.“ „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Leider lassen einen diese hilflosen und lieblosen Versuche eher noch mehr ohne Trost zurück.
Was aber braucht es wirklich für einen echten Trost? Zum einen muss ich mich auf die Situation und den Menschen einlassen. Das ist nicht einfach. Denn oftmals ist da Schmerz vorhanden. Und den spüre auch ich, wenn ich mich auf jemanden in Not einlasse. Es tut auch mir weh. Und vielleicht ist der Mensch auch nicht gerade einfach oder liebenswert.
Echter Trost zeigt Verständnis für die Situation. Und wenn ich eine Situation nicht verstehe, dann kann ich nachfragen. Echter Trost braucht keine Lösungen. Denn oftmals gibt es keine Lösungen. Echter Trost braucht Nähe. Ohne Nähe wirkt alles distanziert. Echter Trost braucht Zärtlichkeit. Echter Trost braucht Zeit.
Alles das ist manchmal schwer zu finden. Denn die Anderen verlieren den Mut, haben keine Zeit und Ruhe, und, und, und …. Trost ist schwer zu finden.
Gott sagt: Ich will dein Tröster sein. Bei mir findest du den Trost, nach dem du so sehr suchst. Ich kenne deine Situation, ich weiß wie es dir geht. Ich halte deinen Schmerz aus. Ich bin dir nahe und ich habe einfach Zeit für dich.
Und was bei Gott noch hinzukommt: Gott sagt „Ich weiß jetzt schon neue Wege für dich, die du jetzt noch gar nicht erkennen kannst.“
Guter Vater!
Hilf mir Gott, denn ich brauche deinen Trost. Amen.
Ein Abschied (Rolf Krenzer)
Während die Mutter dabei ist, den großen Koffer zu packen, sitzt Michael in seinem Rollstuhl am Fenster. Hier aus dem Zimmer hat er einen guten Überblick über die Straße. Er sieht die vielen Leute, die dort unten stehen, zusammen sprechen und sich zuwinken. Er kennt alle, die in der Straße wohnen. Obwohl er selbst noch nie mit Herrn Andreas gesprochen hat, weiß er doch genau, dass er immer zur gleichen Zeit mit seinem Dackel losgeht und eine halbe Stunde später zurückkommt. Er hat auch schon oft Frau Decker beim Putzen zugeschaut.
Drunten auf der Straße springen drei Mädchen mit dem Springseil. Es ist der letzte Ferientag. Morgen müssen sie wieder zur Schule. Sie werden ihren Ranzen packen, ein wenig den Ferien nachtrauern, sich aber dann doch auf die neue Klasse, auf die neue Lehrerin freuen. Michael hat seinen Ranzen auch schon gepackt. Nein, seine Mutter hat es für ihn besorgt, denn Michaels Arme sind1 so schwach, dass er den Ranzen allein gar nicht heben kann.
Auch er wird morgen zur Schule gehen. Aber nicht hier in der kleinen Stadt, in der er geboren wurde, in der er aufgewachsen ist. Er muss morgen früh Abschied nehmen. Abschied von seiner Stadt, von seiner Straße, von seiner Wohnung, von seinem Zimmer. Abschied von allen Menschen, die er kennt, auch von seinen Eltern. Michael ist krank. Er leidet an einer Krankheit, die die Ärzte Muskelschwund nennen. Das ist ein Leiden, das von Jahr zu Jahr schlimmer werden kann. Er kann seine Beine nicht bewegen. Sie gehorchen ihm nicht, sondern hängen schlaff herunter. Auch die geringe Kraft, die er in seinen Armen hat, nimmt ab.
Nichts kann er mehr allein tun. Immer muss ihm jemand helfen. Selbst zur Toilette muss Mutter ihn tragen.
Er spürt oft, wie schwer er ihr wird. Immer muss sie ihn halten, stützen und heben. Früher, als er kleiner war, war alles leichter. Aber nun ist er dreizehn Jahre alt geworden. Er ist groß und schwer. Doch seine Kräfte haben immer mehr nachgelassen.
Noch einmal sitzen Vater, Mutter und Michael in der Essecke am Tisch. Während des Essens versuchen die Eltern, sich und ihren Michael zu trösten.
„Du wirst in dem Heim in eine neue Schule gehen. Dort werden viele in ihren Rollstühlen sitzen. Dann bist du nicht mehr der Einzige!" „Bestimmt wirst du viele Freunde finden!"
Sie schauen, sie lächeln sich tapfer an und wissen doch, dass ihnen allen der Abschied schwer fällt. Der Vater erhebt sich plötzlich.
„Los, alter Junge, wir machen noch einen Bummel durch die Stadt!" Die Mutter löst die Riemen, die Michael im Rollstuhl halten und stützen, und der Vater nimmt ihn auf seine starken Arme. Er trägt ihn die Treppe hinunter bis zum Auto.
Dann geht es los. Der Feierabendverkehr ist vorbei, so dass Vater ganz langsam fahren kann.
Sie kommen zum Schloss, halten vor allen Toren an, dann geht es weiter durch die Altstadt, bis zur neuen Siedlung, immer weiter durch all die Straßen, durch die sie schon so oft gefahren sind. Und langsam kommt das Gespräch wieder zwischen ihnen auf. „Weißt du noch? ... Erinnerst du dich? .. . Hier sind wir oft gewesen ... Hier haben wir zusammen Würstchen und Pommes frites gegessen . . . Hier bist du zur Schule gegangen... Hier ist der Park. Hier haben wir den Rollstuhl ausgeladen und dich geschoben . . . Erinnerst du dich noch an den Schwan mit dem lahmen Flügel? Du hast ihm immer Futter mitgebracht ... Weißt du noch?" So nimmt Michael Abschied. Morgen früh werden ihn seine Eltern in das neue Heim, in die neue Schule und vielleicht zu neuen Freunden bringen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause