Ich aber sprach: Herr, wer bist du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst; steh nun auf und stell dich auf deine Füße. Denn dazu bin ich dir erschienen, um dich zu erwählen zum Diener und zum Zeugen für das, was du gesehen hast und wie ich dir erscheinen will.
Apostelgeschichte 26, 15+16
Was für eine Geschichte! Der tiefgläubige Jude Saulus verfolgt mit Vehemenz die ersten Christinen und Christen. Er ist von ihrer Gotteslästerung überzeugt. Auf dem Weg nach Damaskus begegnet er dann dem auferstandenen Christus in einer Vision. Er fällt vom Pferd, wird blind. Gott schickt einen Christen zu ihm, der ihm von der guten Botschaft erzählt. Aus Saulus wird Paulus, aus dem Verfolger der größte Missionar des Christentums. Er bringt es in die Welt, gründet Gemeinden.
Paulus wird zum Diener erwählt und lässt sich tatsächlich in den Dienst stellen. Diesem Dienst ordnet er sein Leben komplett unter. Der Legende nach stirbt auch Paulus einen Märtyrertod.
Würden wir uns von Gott in den Dienst stellen lassen? Oder haben wir es bereits getan? Dienen wir Gott bereits?
Vorab: Ich bin überzeugt, dass man Gott auf tausendfache Art dienen kann. Und ich bin auch davon überzeugt, dass es nicht immer das ganze Leben sein muss, das dafür eingesetzt wird. Denn es gibt neben unserem Glauben auch unseren Alltag, das ganz normale Leben mit allen seinen Aufgaben. Nicht jede(r) kann und soll sein ganzes Leben in den Dienst stellen!
Und wie erkenne ich, ob und wo und wie ich gebraucht werde? Indem ich einfach mit einem offenen und wachsamen Herzen und Seele durch die Welt gehe. Gott wird schon dafür sorgen, dass ich meine mir angedachten Aufgaben erkenne. Da bin ich mir sicher.
Guter Vater!
Zeige mir, wo ich nötig bin. Amen.
Der kleine Hirte und der große Räuber (Lene Mayer-Skumanz)
In jener Nacht, als die Schafweide vom Glanz der himmlischen Boten erfüllt war, hörte auch ein kleiner Hirte die Nachricht von der Geburt des Gottessohnes. Er stand auf, rollte seine Decke zusammen, füllte einen Krug mit Milch und packte Brot und Schinken in ein Bündel. Das alles wollte er dem göttlichen Kind als Geschenk mitbringen. Voller Freude machte er sich auf den Weg nach Bethlehem. In dieser Gegend hauste ein großer Räuber. Von seiner Höhle aus sah er den hellen Schein über der Schafweide. Er hörte jubelnden Gesang, aber er konnte die Worte nicht verstehen. Er dachte: „Die feiern ein Fest, ich aber sitze allein in meiner Höhle, und mein Magen knurrt vor Hunger. Ich will mich anschleichen und sehen, was ich rauben kann." Kaum war der große Räuber aus seiner Höhle herausgekommen, da musste er sich hinter einem Baum verstecken. Denn einer nach dem anderen zogen die Hirten an ihm vorbei. Sie schleppten Körbe mit Käse und Honig, sie trugen Rucksäcke voll Wolle, und einer führte sogar ein Lamm mit sich. Der letzte in der Reihe war der kleine Hirte. Er ging langsam, denn seine Last war schwer. In der einen Hand trug er das Essensbündel, in der anderen den Krug, und die Rolle mit der Decke hatte er sich um die Schultern gelegt. Der Räuber sah, wie der Abstand zwischen dem kleinen Hirten und seinen Gefährten immer größer wurde. „Das ist mir recht", dachte der große Räuber. Und er schlich dem kleinen Hirten nach und lauerte auf eine Gelegenheit, ihn zu überfallen.
In dieser Nacht aber herrschte ein seltsames Kommen und Gehen auf allen Wegen. Gerade die Ärmsten im Lande konnten nicht schlafen. Viele krochen aus ihren Hütten, sahen zum Himmel hinauf und fragten, ob etwas Besonderes geschehen sei. Auch ein alter Mann stand vor seiner Tür, als der kleine Hirte vorüberging. Der alte Mann schlug die Hände um seinen Leib, und er trat von einem Bein auf das andere.
„Was ist mit dir?" fragte der kleine Hirte. „Ich friere", sagte der alte Mann. „Vor Kälte kann ich nicht schlafen." Da nahm der kleine Hirte die Decke von seinen Schultern und gab sie dem alten Mann. „Nimm nur", sagte er, „dem kleinen Gottessohn ist es sicher recht, wenn du seine Decke hast." Der große Räuber, der dem kleinen Hirten nachgeschlichen war, ärgerte sich. „Schenkt der die Decke her, die ich rauben will!" dachte er.
Bald darauf fand der kleine Hirte ein Mädchen, das saß vor seiner Hütte und weinte.
„Was ist mit dir?" fragte er. „Ich habe Durst", klagte das Mädchen. „Vor Durst kann ich nicht einschlafen. Und der Weg zum Brunnen ist weit und finster."
Der kleine Hirte gab dem Mädchen den Krug mit der Milch. „Nimm nur", sagte er, „dem kleinen Gottessohn ist es sicher recht, wenn du seine Milch trinkst."
Das kleine Mädchen freute sich, aber der Räuber, der dem kleinen Hirten nachgeschlichen war, ärgerte sich noch mehr. „Schenkt der die Milch her, die ich rauben will!" dachte er. „Ich muss mich beeilen, dass ich wenigstens das Bündel erwische." Und sein hungriger Magen knurrte laut in der stillen Nacht. Bei der nächsten Wegbiegung sprang der Räuber mit einem gewaltigen Satz auf den kleinen Hirten los. Der kleine Hirte sah den großen Räuber an. „Ist das dein Magen, der so schrecklich knurrt?" fragte er. „Die ganze Zeit schon höre ich dieses Knurren hinter mir. Du tust mir leid. Da, nimm und iss! Dem kleinen Gottessohn ist es sicher recht, wenn ich dir sein Essen gebe." Der Räuber aß das Brot und den Schinken und ließ nicht das kleinste Stückchen übrig, aber es wurmte ihn, dass er das Essen geschenkt bekommen hatte.
„Jetzt muss ich mit leeren Händen vor dem kleinen Gottessohn stehen", sagte der Hirte traurig. „Aber hingehen und ihn begrüßen will ich doch und ihm sagen, daß ich mich über seine Geburt freue." Und er erzählte dem Räuber, was die himmlischen Boten verkündet hatten. Der Räuber dachte: „Wenn Gottes Sohn geboren ist, kommen bestimmt auch alle reichen Leute, und es wird ein herrliches Fest. Ob da für mich was abfällt?" „Komm doch mit!" sagte der kleine Hirte mitten in die Gedanken des großen Räubers, und der große Räuber ging mit ihm. Als sie aber in Bethlehem angekommen waren, staunte der Räuber sehr. Denn da fanden sie nur einen Stall, in dem die Hirten ein- und ausgingen, und eine junge Mutter, die aus der Hirtenwolle eine kleine Decke webte, und einen armen Mann, der Bretter zu einem kleinen Bett zusammenfügte. Das göttliche Kind lag in einer Krippe, mit nichts als ein bisschen Stroh und ein paar Windeln unter sich. „Diesem Kind habe ich das Brot und den Schinken weggegessen", dachte der große Räuber und schämte sich.
„Schau, Jesus", sagte die Mutter Maria, „da ist ein kleiner Hirte zu dir gekommen; er hat dir einen großen Räuber mitgebracht." Die Mutter Maria lächelte den kleinen Hirten an, und der verstand auf einmal, dass er doch nicht mit leeren Händen gekommen war. Und die Mutter Maria lächelte den großen Räuber an, und der war ganz verwirrt und dachte: „Da stimmt etwas nicht! Große Räuber tun keinem leid, bekommen nichts geschenkt und werden von niemandem angelächelt. Mir scheint, ich bin gar kein großer Räuber mehr." „Mir scheint, du könntest ein großer Hirte werden", sagte da die Mutter Maria. „Du bist so stark, und starke Hirten braucht man immer."
„Ich will's versuchen", brummte der große Räuber, der eigentlich schon keiner mehr war. Und sie verabschiedeten sich und gingen den Weg zu der Schafweide zurück; ein kleiner Hirte und ein großer Hirte.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause