Predigt am 1.S.n.E. über Josua 3, 5-11.17
(12.1.2025; Auferstehungskirche, Thema: Gott verspricht: „Ich bin bei dir!“)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
In Grundzügen wird den meisten von uns die Geschichte des Volkes Israel bekannt sein, wie sie die Bibel und das Alte Testament sie erzählen. Nur zur Erinnerung: Das Volk Israel war in Ägypten gefangen gewesen. Der Pharao brauchte Arbeiterinnen und Arbeiter, um Städte und Pyramiden bauen zu lassen. Da kamen ihm die Israeliten gerade recht. Sie konnten sich nicht wehren und wurden versklavt.
Dann wurde ein Kind geboren, Mose. Er wuchs auf und wurde ein Mann. Und er begehrte gegen die Ägypter und den Pharao auf. Er wurde zum Anführer seines Volkes. Und er ging zum Pharao und forderte Freiheit. Dieser aber wollte nicht auf seine billigen Arbeitskräfte verzichten.
Und so kam es zu den Plagen, die Gott über die Ägypter hereinbrechen ließ: Wasser wurde zu Blut, Heuschrecken und Frösche kamen in Scharen, die Sonne verfinsterte sich. Als der Pharao immer noch nicht gehorchen wollte, kam es zur schlimmsten Plage: Die erstgeborenen Kinder der Ägypter starben. Erst da ließ der Pharao die Menschen ziehen. Aber kaum waren sie auf dem Weg nach Israel, da bereute er es schon wieder und jagte ihnen hinterher. Da teilte Mose das Meer, die Israeliten gingen trockenen Fußes hindurch, die Ägypter konnten es nicht überwinden. Und schließlich ging das Volk 40 Jahre lang durch die Wüste und musste Krieg, Hunger und Durst überstehen.
Schließlich stehen sie endlich an der Grenze des Landes, wo sie hinwollen. Mose ist uralt geworden und stirbt. Da wird ein junger Mann zu seinem Nachfolger berufen. Er trägt den Namen Josua. Die Bibel schildert dann, wie es weitergeht. Unser Predigttext stammt aus dem Buch Josua, das nach dem neuen Anführer benannt wurde. Dort sagt Gott zu diesem Josua:
5 Kein Feind wird sich gegen dich behaupten können; denn ich werde dir dein Leben lang zur Seite stehen, genauso wie ich Mose zur Seite gestanden habe. Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen. 6 Sei mutig und entschlossen! Du wirst diesem Volk das Land, das ich ihren Vorfahren mit einem Eid zugesagt habe, als bleibenden Besitz zuteilen. 7 Halte dich mutig und entschlossen an das, was mein Diener Mose gesagt hat! Befolge mein Gesetz, das er dir übergeben hat, und lass nicht das Geringste davon außer Acht; dann wird dir alles gelingen, was du unternimmst. 8 Sprich die Weisungen aus meinem Gesetzbuch ständig vor dich hin und denke Tag und Nacht darüber nach, damit dein ganzes Tun an meinen Geboten ausgerichtet ist. Dann wirst du Erfolg haben und wirst alles, was du beginnst, glücklich vollenden. 9 Ich sage dir noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Hab keine Angst und lass dich durch nichts erschrecken; denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst!« 10-11 Darauf ließ Josua die Aufseher durch das Lager gehen und überall bekannt machen: »In drei Tagen werden wir den Jordan überschreiten und das Land in Besitz nehmen, das der Herr uns geben will. Bereitet genügend Verpflegung für den Marsch vor!« 17 Wir werden dir gehorchen, so wie wir Mose gehorcht haben. Der Herr, dein Gott, stehe dir bei, wie er Mose beigestanden hat.
„Sei mutig und entschlossen! Ich bin bei dir, wohin du auch gehst!“ Ein großes Versprechen, das Gott hier gibt. Aber ich glaube, das braucht es auch, denn die Aufgabe von Josua ist alles andere als leicht. Vorher war er ein Heerführer, der ein geschickter Soldat war, nun sollte er Anführer eines Volkes werden. Und was waren das für riesige Fußstapfen, die Mose hinterlassen hatte. Gegen Mose musste er sich fast zwangsläufig klein fühlen.
Zudem stand er mit dem ganzen Volk vor einer entscheidenden Grenze, dem Fluss Jordan. Er wusste genau, dass das versprochene Land jenseits des Flusses lag. Er wusste aber auch, dass dort schon Menschen wohnten, die ihre Heimat verteidigen würden. Er brauchte wirklich sehr diese Zusage Gottes: „Verliere nicht den Mut. Ich bin da!“
Aber was hat diese uralte Geschichte mit uns heute zu tun? Wieso hören wir sie heute noch?
Ich denke, dass es uns oft ähnlich wie Josua geht. Wir stehen vor großen Aufgaben, die uns viel abverlangen werden. Und wir stehen vor ihnen mit gehörigem Respekt. Der Wechsel vom Kindergarten in die Schule, der Wechsel von der Grundschule in die weiterführende Schule, das Bestehen des Abiturs. Manchmal haben wir schon einen dicken Kloß im Hals und müssen kräftig schlucken. Auch wenn sich abzeichnet, dass die Eltern Pflege brauchen; wenn wir merken, dass wir um unsere Ehe kämpfen müssen; die Kraft der Partnerin, des Partners nachlässt; ein zu groß gewordener Schuldenberg – alles Aufgaben, die uns oftmals riesig erscheinen. Genauso muss sich Josua gefühlt haben. „Und das soll ich schaffen?“
Zudem liegt vor Josua ein unbekanntes Land. Wenn der Fluss Jordan überschritten wird, dann kommt ein neues unbekanntes Gelände auf ihn zu. Er weiß nicht wirklich, was ihm alles passieren wird, welchen Gefahren und Überraschungen er und das Volk ausgesetzt sein werden.
Auch das ist uns wohlbekannt: Auf einmal stehen wir vor Herausforderungen und ganz neuen Lebenssituationen. Es fällt uns schwer, sie einzuschätzen. Wir verlassen gewohntes Gelände und wagen uns in das Unbekannte. Der Anfang der Ausbildung oder des Studiums; der Umzug in eine fremde Stadt; eine Krankheit, von der wir bedroht sind; die Trennung von dem Ehepartner, der Ehepartnerin; der Beginn des Ruhestands, das Leben alleine: Unbekanntes Terrain, unbekanntes Land, unbekannte Situationen. Und oftmals wieder ein Kloß im Hals, Unsicherheit, Schiss.
Wie gut wäre es da, solch eine Zusage Gottes zu bekommen, wie Josua sie bekommt. Wie gut wäre es da, einen starken verlässlichen Partner an der Seite zu haben. Wie gut wäre es so wie Josua gestärkt und ermutigt weitergehen zu können.
Liebe Gemeinde! Wenn ich bei den Taufgesprächen in den Familien bin, dann lasse ich meist eine Liste mit möglichen Taufsprüchen dort. Die Eltern sollen sich in Ruhe einen Spruch aus der Bibel aussuchen können, den sie ihrem Kind mitgeben wollen. Ich lese mal die beiden Sprüche vor, die häufigsten ausgesucht werden. Der eine lautet: Ich werde dir dein Leben lang zur Seite stehen. Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen. Und der andere heißt: Ich sage noch einmal: Sei tapfer und entschlossen! Lass dich durch nichts erschrecken und verliere nie den Mut; denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst! Ja, sie hören richtig! Beide stammen aus dem Predigttext von heute. Die Eltern wissen aus eigener Erfahrung, dass wir Hilfe auf unserem Lebensweg brauchen, eine starke Hand, die uns hält und beschützt, Gottes Hand. Und so wünschen sie sich oftmals diese Sprüche für die Taufe. Und in der Taufe sagt Gott den Kindern genau dies: Ich werde dir dein Leben lang zur Seite stehen. Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen. Ich sage noch einmal: Sei tapfer und entschlossen! Lass dich durch nichts erschrecken und verliere nie den Mut; denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst!
Mit den Kindern der dritten Klasse habe ich gerade das Thema des Gottesnamens. Gott sagt: Ich bin der „Ich-bin-da“. Und dann habe ich mit den Kindern über Versprechen gesprochen, die Menschen einander geben. „Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.“ Dieses Sprichwort kannten die Kinder. Aber sie kannten es leider auch, dass Versprechen gebrochen werden können: „Meine Mama hat meinem Papa versprochen, dass sie da bleibt. Und dann ist sie doch gegangen.“ „Mein Papa hat mir immer versprochen, dass er mich am Wochenende zu sich holt. Und dann hat er es doch nicht gemacht.“ Gebrochene Versprechen tun weh, sie verletzen.
Gott hält sein Versprechen, das er uns Menschen gibt. Erinnern Sie sich bitte, erinnert ihr euch bitte, dass auch Ihr getauft seid. Jedem von uns hat Gott in der Taufe ein Versprechen gegeben. Zu jedem von uns hat er gesagt: Ich werde dir dein Leben lang zur Seite stehen. Niemals werde ich dir meine Hilfe entziehen, nie dich im Stich lassen. Ich sage noch einmal: Sei tapfer und entschlossen! Lass dich durch nichts erschrecken und verliere nie den Mut; denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst! Und auf dieses Versprechen können wir uns verlassen, festhalten, bauen. Dann wird es immer noch große Aufgaben geben und unbekannte Lebenswege vor uns liegen – doch wir haben den stärksten Mutmacher, den es gibt an unserer Seite: Gott!
Und das könnt ihr, Talita und Sascha eurem Kind Merle immer wieder erzählen: Gott ist an deiner Seite. Ihr könnt die Taufkerze rausholen, in der Kinderbibel blättern und so Merle in Erinnerung rufen: Ich habe den besten Freund, den man sich vorstellen kann. Und so kann ich prima leben.
Schließen möchte ich für heute mit einer Geschichte von Renate Schupp. Sie trägt den Namen
„Timo kommt in die Schule“
Den ganzen Nachmittag hat Timo seine Hefte und Bücher ein- und ausgepackt, seine Farbstifte gezählt, seinen Ranzen herumgetragen, seine neue gelbe Mütze ausprobiert... Jetzt sitzt er auf der Treppe und hat eine tiefe Falte auf der Stirn. „Was ist los mit dir?" fragt die Oma und setzt sich neben ihn. Timo seufzt. „Wenn ich nun morgen nicht rechtzeitig aufwache, Oma?" „Aber Timo, deine Mama weckt dich bestimmt! Sie hat noch nie in ihrem Leben verschlafen!" „Wenn es aber regnet und mein Ranzen nass wird und die Mütze und die Zuckertüte..." Die Oma lacht. „Dann fährt dein Papa euch mit dem Auto zur Schule." Timo nickt und sagt ein Weilchen nichts. „Wenn mich aber in der Pause die großen Jungen schubsen?" fragt er dann. Ha, dann sollst du mal sehen, wie die Britta angesaust kommt und sie ausschimpft!" Britta ist Timos große Schwester. Sie ist stark wie zwei Jungen. Timo ist froh, dass er so eine starke Schwester hat. Aber da fällt ihm noch etwas ein. „Und die Buchstaben, Oma? Wenn ich nun die Buchstaben nicht lerne?" „Aber Timo, davor brauchst du keine Angst zu haben", sagt die Oma. „Es wird immer jemand da sein, der dir hilft." „Immer?" „Immer!" sagt die Oma und nimmt Timo fest in den Arm. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause
Gott, mein Herz ist bereit, ich will singen und spielen. Wach auf, meine Seele!
Psalm 108,2
In den letzten Tagen las ich einen Zeitungsartikel, der sich darum drehte, wie im Moment die Situation von Menschen in unserem Land wahrgenommen wird. Es wurde schnell deutlich, dass es einen großen Unterschied zwischen der Wahrnehmung und der Wirklichkeit gab. Oftmals erleben wir heute die Situation als sehr bedrückend und haben den Eindruck, dass es steil bergab geht. Der Artikel aber rief noch einmal in Erinnerung, dass wir weiterhin in einem der sichersten Länder der Welt leben. Im Moment arbeiten so viele Menschen wie noch nie in unserem Land. Unsere Demokratie ist eine der lebendigsten und widerstandsfähigsten in der Welt. Eigentlich könnten wir fröhlich und glücklich sein. Eigentlich.
Der Psalmbeter fordert seine eigene Seele auf, aufzuwachen. Er will sie wecken, indem er singt und Musik macht. Vielleicht brauchen auch unsere Seelen solch einen Weckruf.
Meine Gedanken schwenken um. Was wäre, wenn ich einmal danach suche, was alles gut in meinem Leben ist, anstatt nur auf das Negative zu blicken? Ich spüre sofort, dass sich dann nicht nur der Blickwinkel verändert. Ich sehe meine Familie, meine uralten Eltern, meine Freunde, meinen Beruf. Ich sehe eine lebendige Gemeinde, in der ich mit vielen Menschen verbunden bin. Ich sehe die Arbeit als Lehrer an der Kyburg Grundschule, die mir so viel Freude macht. Und ich merke noch einmal wie reich ich eigentlich bin und wie gut es mir geht.
Und was siehst du, sehen Sie? Ich kann mir vorstellen, dass auch dort viel Schönes gesehen werden kann. Auch Ihr und dein Leben ist ein reiches und erfülltes Leben. Ist das nicht ein Grund, Gott zu loben, zu singen und zu spielen – mit wacher und fröhlicher Seele!
Guter Vater!
Danke für den Reichtum des Lebens, mit dem du mich beschenkst. Amen.
Vorgänge am See (Frieder Stöckle)
Mitunter, vor Tag, verlasse ich mein Bett, schleiche barfuß leise zur Tür und mach mich auf zum See. Auf der Treppe begegne ich der Zeitung:, ach (hunderttausend Arbeitslose zu erwarten', Sommerschlussverkauf! bei Karstadt purzeln die Preise', ,der Terror nimmt kein Ende'. Die Haustüre hinter mir zu.
Dunkel sind die Häuserumrisse der Vorstadt und ungenau. Silbern schimmern Schneckenspuren am Zaun. Tautropfen ziehen am Spinnennetz. Meine nackten Füße tatschen auf dem Stein.
Am Bahndamm entlang. Manchmal auf den Schienenschwellen aus Eichenholz. Groß sind die Trockenrisse im Holz. Zwischen den Schwellen liegt Schotter. Beim Bahnwärterhäuschen biege ich ab, quer über die taunasse Wiese. Meine Zehen rechen Kleeblüten, Hahnenfuß und Wiesenschaumkraut.
Mitten in der Wiese bleibe ich stehen. Noch hundert Meter bis zum See. Ich spanne einen Grashalm zwischen meine gestreckt aneinandergepressten Daumen. Die Hände hohlzueinander bilden den Resonanzraum. Und jetzt blase ich stark in den Grashalm: „Kihuiooo, kihuiooo—." Ich horche. Dort drüben vom Schilf kommts zurück, kürzer und scharf: Kihui, kihui -. Das sind die Schilfhaubentaucher. Ich gehe vorsichtig weiter, stelze wie ein Storch zum Uferschilf, stehe schon im Wasser bis über die Knöchel, Patsch! Ein schwarzer Haubentaucher klatscht aus dem Schilf, die Flügel dicht über dem Wasser. „Kihuioo —" Platsch! Platsch! kihui, kihui, platsch, platsch, klatsch!
Vor mir, hinten am Weidenbusch, links bei der Bachmündung und weiter draußen am offenen Wasser: überall schreckt es im dämmrigen Schilf. „Ki- uioooo... Kihuiooo..." Bis über die Knie stehe ich im Wasser. Der Schilfwald umgibt mich. Jetzt schrecken schnarrend die Enten und Wasserläufer. Frösche fangen an, Bewegung ist im Schilf. Der See ist in Aufruhr. Damit bin ich zufrieden.
Ich wate rückwärts, der Seetang und Froschlaich hängt mir bis über die Knie an den Beinen. „Kihuiooo", nochmal grell zurück zum See, dann schnell über die Wiese. Durch Hahnenfuß, Wiesenschaumkraut und Kleeblüten am Bahndamm entlang zu der Vorstadt. Die Häuser werden deutlicher. Am Spinnennetz ziehen Tautropfen. Die Schneckenspur am Zaun schimmert silbern. Auf der Treppe begegne ich wieder der Zeitung. Zurück ins Bett. Später, wenn meine Mutter mich weckt wird sie die Hahnenfüße im Bett finden. „Hast du schon wieder die Viecher am See gescheucht?" wird sie sagen, oder „gab's wieder Vorgänge am See?"
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Psalm 108,2
In den letzten Tagen las ich einen Zeitungsartikel, der sich darum drehte, wie im Moment die Situation von Menschen in unserem Land wahrgenommen wird. Es wurde schnell deutlich, dass es einen großen Unterschied zwischen der Wahrnehmung und der Wirklichkeit gab. Oftmals erleben wir heute die Situation als sehr bedrückend und haben den Eindruck, dass es steil bergab geht. Der Artikel aber rief noch einmal in Erinnerung, dass wir weiterhin in einem der sichersten Länder der Welt leben. Im Moment arbeiten so viele Menschen wie noch nie in unserem Land. Unsere Demokratie ist eine der lebendigsten und widerstandsfähigsten in der Welt. Eigentlich könnten wir fröhlich und glücklich sein. Eigentlich.
Der Psalmbeter fordert seine eigene Seele auf, aufzuwachen. Er will sie wecken, indem er singt und Musik macht. Vielleicht brauchen auch unsere Seelen solch einen Weckruf.
Meine Gedanken schwenken um. Was wäre, wenn ich einmal danach suche, was alles gut in meinem Leben ist, anstatt nur auf das Negative zu blicken? Ich spüre sofort, dass sich dann nicht nur der Blickwinkel verändert. Ich sehe meine Familie, meine uralten Eltern, meine Freunde, meinen Beruf. Ich sehe eine lebendige Gemeinde, in der ich mit vielen Menschen verbunden bin. Ich sehe die Arbeit als Lehrer an der Kyburg Grundschule, die mir so viel Freude macht. Und ich merke noch einmal wie reich ich eigentlich bin und wie gut es mir geht.
Und was siehst du, sehen Sie? Ich kann mir vorstellen, dass auch dort viel Schönes gesehen werden kann. Auch Ihr und dein Leben ist ein reiches und erfülltes Leben. Ist das nicht ein Grund, Gott zu loben, zu singen und zu spielen – mit wacher und fröhlicher Seele!
Guter Vater!
Danke für den Reichtum des Lebens, mit dem du mich beschenkst. Amen.
Vorgänge am See (Frieder Stöckle)
Mitunter, vor Tag, verlasse ich mein Bett, schleiche barfuß leise zur Tür und mach mich auf zum See. Auf der Treppe begegne ich der Zeitung:, ach (hunderttausend Arbeitslose zu erwarten', Sommerschlussverkauf! bei Karstadt purzeln die Preise', ,der Terror nimmt kein Ende'. Die Haustüre hinter mir zu.
Dunkel sind die Häuserumrisse der Vorstadt und ungenau. Silbern schimmern Schneckenspuren am Zaun. Tautropfen ziehen am Spinnennetz. Meine nackten Füße tatschen auf dem Stein.
Am Bahndamm entlang. Manchmal auf den Schienenschwellen aus Eichenholz. Groß sind die Trockenrisse im Holz. Zwischen den Schwellen liegt Schotter. Beim Bahnwärterhäuschen biege ich ab, quer über die taunasse Wiese. Meine Zehen rechen Kleeblüten, Hahnenfuß und Wiesenschaumkraut.
Mitten in der Wiese bleibe ich stehen. Noch hundert Meter bis zum See. Ich spanne einen Grashalm zwischen meine gestreckt aneinandergepressten Daumen. Die Hände hohlzueinander bilden den Resonanzraum. Und jetzt blase ich stark in den Grashalm: „Kihuiooo, kihuiooo—." Ich horche. Dort drüben vom Schilf kommts zurück, kürzer und scharf: Kihui, kihui -. Das sind die Schilfhaubentaucher. Ich gehe vorsichtig weiter, stelze wie ein Storch zum Uferschilf, stehe schon im Wasser bis über die Knöchel, Patsch! Ein schwarzer Haubentaucher klatscht aus dem Schilf, die Flügel dicht über dem Wasser. „Kihuioo —" Platsch! Platsch! kihui, kihui, platsch, platsch, klatsch!
Vor mir, hinten am Weidenbusch, links bei der Bachmündung und weiter draußen am offenen Wasser: überall schreckt es im dämmrigen Schilf. „Ki- uioooo... Kihuiooo..." Bis über die Knie stehe ich im Wasser. Der Schilfwald umgibt mich. Jetzt schrecken schnarrend die Enten und Wasserläufer. Frösche fangen an, Bewegung ist im Schilf. Der See ist in Aufruhr. Damit bin ich zufrieden.
Ich wate rückwärts, der Seetang und Froschlaich hängt mir bis über die Knie an den Beinen. „Kihuiooo", nochmal grell zurück zum See, dann schnell über die Wiese. Durch Hahnenfuß, Wiesenschaumkraut und Kleeblüten am Bahndamm entlang zu der Vorstadt. Die Häuser werden deutlicher. Am Spinnennetz ziehen Tautropfen. Die Schneckenspur am Zaun schimmert silbern. Auf der Treppe begegne ich wieder der Zeitung. Zurück ins Bett. Später, wenn meine Mutter mich weckt wird sie die Hahnenfüße im Bett finden. „Hast du schon wieder die Viecher am See gescheucht?" wird sie sagen, oder „gab's wieder Vorgänge am See?"
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