Predigt an Lätare über Johannes 6, 47-51
(30.3.2025; Auferstehungskirche, Thema: Ich bin das Brot des Lebens)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Heute möchte ich mit Ihnen und Euch über ein Wort Jesu nachdenken, das im Johannesevangelium steht: „Ich bin das Brot der Welt.“ Brot ist für uns ein Grundnahrungsmittel. Brot ist sozusagen auch ein Symbol für Leben, für Satt-sein, für erfüllt sein. Wer aber über Brot nachdenkt, dem wird schnell in den Sinn kommen, wie es ist, wenn nicht genug da ist – wenn es statt Satt-sein Hunger gibt.
Wahrscheinlich haben nur wenige unter uns Hunger wirklich kennengelernt. Im Krieg oder auch nach dem Krieg da gab es auch in Deutschland Hunger. Vielleicht können sich manche noch an die Lebensmittelkarten erinnern, mit denen man Essen beziehen konnte. Die allermeisten aber von uns kennen keinen Hunger mehr. Wir haben genug Essen. Ja eigentlich gibt es bei uns Essen im Überfluss.
Dabei gibt es auch heute noch Hunger, obwohl so vieles ist in den letzten Jahrzehnten erreicht worden ist. Sehr viel! Und doch hungern mehr als 800 Millionen Menschen auch heute noch auf unserer Erde. Die Gründe dafür sind fast alle menschengemacht: Unfähige, schlechte und korrupte Regierungen, Naturkatastrophen, Armut, ungerechte Handelswege, Kriege, immer mehr der Klimawandel, die Gier von Menschen nach Macht und Größe. Und so hungern Menschen auch heute in der Zentralafrikanischen Republik, Tschad, Sambia, Sierra Leone, Jemen und Madagaskar - auch in vielen südasiatischen Ländern wie Pakistan, Indien, Nepal, Bangladesch, Myanmar, Laos, Kambodscha und Indonesien. Dabei ist jeder Hunger heute für uns Menschen zutiefst beschämend. Denn diese Welt hat genug Nahrung für alle. Auf der anderen Seite stehen die, die zu dick sind. Wie eine Seuche breiten sich Adipositas und die Verschwendung von Lebensmitteln auf dieser Welt aus.
Auch in unserem Land gibt es Hunger. Aber es ist nicht das Verlangen nach Essen und Trinken. Es ist ein anderer Hunger, der sich immer mehr in unserem Land und in unserer Stadt und in unseren Dörfern breitmacht.
Hunger nach Gemeinschaft – wie viele auch in Weckhoven und Hoisten sind heute alleine, fühlen sich einsam? Es sind nicht nur die vergessenen Alten. Es sind auch die Kinder, die Jugendlichen, die Erwachsenen, die einsam sind. Wie viele haben niemandem, dem sie wirklich von ihren inneren Dingen erzählen können? Wie viele haben niemanden, den sie wirklich um Rat fragen können? Wie viele haben niemanden, dem sie vertrauen können!
Hunger nach Sinn – wie viele auch in Weckhoven und Hoisten sind heute auf der Suche nach etwas, das ihr Leben wirklich bereichert, nach einem Sinn des Lebens. Wie viele verzweifeln am Alltag und fragen sich, ob das ganze Leben nur aus dem ewig gleichen Trott besteht. Wie viele suchen nach einer Aufgabe, die sie erfüllt.
Hunger nach Wertschätzung – wie viele auch in Weckhoven und Hoisten sind heute auf der Suche nach Anerkennung. Wie viele wünschen sich sehnlich, dass jemand sie sieht und wahrnimmt– vielleicht sogar, dass jemand merkt, dass sie wertvolle und liebenswerte Menschen sind.
Hunger nach Liebe – wie viele auch in Weckhoven und Hoisten sind heute auf einer verzweifelten Suche nach Liebe. Die Datingportale boomen im Internet. „Bei parship verlieben sich alle 11 Minuten Paare.“ Eine Liebe, die einen selbst größer werden lässt. Eine Liebe, die den anderen so nimmt wie er oder sie ist. Eine tiefe Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Erotik. Eine Sehnsucht nach Umarmung, Zärtlichkeit, Sexualität. Der Hunger nach Liebe scheint mir der größte Hunger zu sein. Der, der den Menschen am meisten fehlt.
Hören wir einmal mit diesen Gedanken im Hinterkopf unseren Predigttext für heute:
47 Amen, ich versichere euch: Wer sich an mich hält, hat das ewige Leben. 48 Ich bin das Brot, das Leben schenkt. 49 Eure Vorfahren aßen das Manna in der Wüste und sind trotzdem gestorben. 50 Hier aber ist das Brot, das vom Himmel herabkommt, damit, wer davon isst, nicht stirbt. 51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird ewig leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Leib. Ich gebe ihn hin, damit die Menschen zum Leben gelangen können.«
„Ich bin das Brot, das Leben schenkt!“ Und damit sagt Jesus auch „Ich stille deinen Hunger!“
Was machen wir nun mit diesem Satz heute Morgen, 2025 in der Auferstehungskirche? Wie kann es passieren, dass dieser Satz für uns mehr ist als eine immer wieder gehörte Botschaft, die aber nicht wirklich uns und unsere Herzen erreicht?
Denn, ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Gott auch heute für Sie, für dich und für mich Brot des Lebens sein will. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Gott auch heute Sie, dich und mich begleitet und mir hilft, wenn ich auf der Suche bin.
Leider ist es nicht so einfach. Leider gehört mehr zu einem erfüllten Leben als eine einmal ausgesprochene Bitte an Gott. Auch mit Gottes Hilfe und Unterstützung ist die Suche nach einem guten Leben nach einem erfüllten Leben keine Sache, die wir schnell erlangen, erkaufen oder erbitten können. Auch mit Gott an unserer Seite ist dieser Weg ein längerer Weg, ein Weg, der einen langen Atem braucht.
Gemeinschaft finden: Wie schön, dass Ihr, dass Sie heute Morgen da sind. So sind wir heute Morgen eine Gemeinschaft, die an diesem schönen Morgen hier zusammengefunden hat. Auf Lateinisch heißt Kirche „ecclesia“ und wenn ich das wortwörtlich übersetze, bedeutet dies „die Zusammengerufenen“. Wir sind heute Morgen die, die Gott zusammengerufen hat. Und gleich werden wir noch zu einer ganz besonderen Gemeinschaft, wenn wir beim Abendmahl miteinander essen und trinken. Zudem dürfen wir damit rechnen, dass Gott mitten unter uns ist, ein Teil der Gemeinschaft ist.
Aber auch hier: Das Gefühl von Gemeinschaft braucht etwas Zeit. Wer öfter in den Gottesdienst kommt, wer am Kirchenkaffee teilnimmt, der oder die wird mit der Zeit ein Teil der Gemeinschaft. Und für die, die selber nicht mehr hierher kommen können ist unser Besuchsdienst von ganz entscheidender Bedeutung.
Wertschätzung erfahren: Oftmals erfahren wir Wertschätzung über Leistung: Gute Noten, ein hohes Gehalt, usw. Das hießt, wir müssen für unsere Wertschätzung arbeiten, etwas tun – nach dem Motto: Ohne Fleiß kein Preis. Bei Gott ist das anders! Bei ihm sind wir alleine deswegen wertvoll, weil wir seine Geschöpfe sind. Jede und jeder von uns ist, bevor er oder sie geboren wurden, ein Gedanke Gottes gewesen. Wir alle sind seine Geschöpfe, seine Kinder. Und alle, wirklich jede und jeder sind gut so wie wir sind – mit allen Fehlern und Schwächen, die wir haben – auch wenn wir uns noch so dafür schämen. Gott sagt zu dir: Du bist gut so wie du bist!
Auch das kann ich nicht von jetzt auf gleich glauben. Auch das muss ich einfach öfter hören, damit mein Her und meine Seele dies aufnehmen: Ich bin gut.
Liebe: Sie ist wohl das, was am meisten vermisst wird. Mit ihr ist es am schwierigsten. Bei der Liebe sind wir einfach super empfindlich. Die Angst vor Verletzung, vor enttäuschter Liebe ist oftmals riesengroß. Gottes Liebe ist zum Glück sehr robust. Sie trägt uns nichts nach. Sie hält alles aus. Gottes Liebe ist langmütig, wie es so schön im Korintherbrief heißt. Sie ist anders als unsere Liebe. Unsere Liebe kann verlorengehen, erkalten, sich verwandeln in Hass. Gottes Liebe will das nicht. Sie ist treu. Und sie versucht, immer wieder von Neuem bei uns zu landen.
Dass dies alles nicht von einer Sekunde auf die andere funktioniert liegt nicht an Gott, sondern an uns. Es braucht Zeit bis wir wirklich glauben und fühlen können, was Gott uns schenken will. Es braucht Zeit, die Geschenke Gottes anzunehmen. Es braucht Zeit, dass es wirklich in unserem Inneren ankommt. ICH BIN GEMEINT! Es braucht Zeit, dies anzunehmen. Es braucht vor allem Zeit, daran zu glauben.
Ein letztes: Der Hunger nach dem Sinn des Lebens. Es gibt nicht den einen richtigen Sinn des Lebens. Es gibt auch nicht die eine richtige Aufgabe des Lebens. Dazu verändern wir uns zu sehr in unserem Leben selbst. Und dazu verfügen wir alle über unterschiedliche Fähigkeiten und Gaben. Wer aber wirklich auf der Suche nach einer Aufgabe, nach einem Sinn des eigenen Lebens ist, der wird von Gott unterstützt.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott uns Aufgaben zeigt, wo wir gebraucht werden. Wenn wir mit einer offenen Seele und einem offenen Herzen auf diese Welt und die Menschen schauen, dann werden wir spüren und merken, wo unser Platz ist, welches unsere Aufgabe ist. Gott hat dabei viele Wege, uns dies zu sagen: Durch andere Menschen, durch Gedanken und Gefühle oder durch ganz andere Wege. Gott ist da sehr kreativ.
Ich bin das Brot, das Leben schenkt, damit die Menschen zum Leben gelangen können. Ich höre diese Worte jetzt anders und ich ahne, welches Angebot darin für mich liegt. Ich will in Zukunft für mich schauen, wie sehr Jesus für mich Brot sein kann.
Ich möchte mit einer Geschichte enden, in der es auch um das Brot des Lebens, um Gemeinschaft, Liebe und eine Aufgabe geht:
„An der Jakobstraße in Paris liegt ein Bäckerladen, da kaufen viele hundert Menschen ihr Brot. Der Besitzer ist ein guter Bäcker. Aber nicht nur deshalb kaufen die Leute des Viertels dort gern ihr Brot. Noch mehr zieht der Bäcker sie an: der Vater des jungen Bäckers. Meistens ist nämlich der alte Bäcker im Laden und verkauft. Der alte Bäcker weiß, dass man Brot nicht nur zum Sattessen braucht. Und gerade das gefällt den Leuten. Manche erfahren das zum ersten Mal beim Bäcker an der Jakobstraße; zum Beispiel der Autobusfahrer Gérard, der einmal zufällig in den Brotladen an der Jakobstraße kam. „Sie sehen bedrückt aus", sagte der alte Bäcker zum Busfahrer. „Ich habe Angst um meine kleine Tochter", antwortete der Busfahrer Gérard. „Sie ist gestern aus dem Fenster gefallen, vom 2.Stock!" „Wie alt?" fragte der Bäcker. „Vier Jahre", antwortete Gérard. Da nahm der alte Bäcker ein Stück vom Brot, das auf dem Ladentisch lag, brach zwei Bissen ab und gab das eine Stück dem Busfahrer. „Essen Sie mit mir", sagte der alte Bäcker zu Gérard, „ich will an Sie und ihre kleine Tochter denken". Der Busfahrer hatte so etwas noch nie erlebt, aber er verstand sofort, was der alte Bäcker meinte, als er ihm das Brot in die Hand gab. Und sie aßen beide ihr Stück und schwiegen und dachten an das Kind im Krankenhaus. Zuerst war der Busfahrer mit dem alten Bäcker allein. Dann kam eine Frau herein. Sie hatte auf dem nahen Markt zwei Tüten Milch geholt und wollte nun eben noch ein Brot kaufen. Bevor sie ihren Wunsch sagen konnte, gab ihr der alte Bäcker ein kleines Stück Weißbrot in die Hand und sagte: "Kommen Sie, essen Sie mit uns: Die Tochter dieses Herrn liegt schwer verletzt im Krankenhaus, sie ist aus dem Fenster gestürzt. Vier Jahre ist das Kind. Der Vater soll wissen, dass wir ihn nicht allein lassen." Und die Frau nahm das Stückchen Brot und aß mit den beiden." Amen.
Und der Frieden Gottes welcher höher ist als alle unsre Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause