Predigt an Miserikordias Domini über Genesis 16, 1-16
(14.4.2024; Auferstehungskirche, Thema: Gott hört mich)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Sara, Abrahams Frau, gebar ihm kein Kind. Sie hatte eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und Sara sprach zu Abraham „Siehe, der HERR hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Geh doch zu meiner Magd, ob ich vielleicht durch sie zu einem Sohn komme.“ Und Abraham gehorchte der Stimme Saras. Da nahm Sara, Abrahams Frau, ihre ägyptische Magd Hagar und gab sie Abraham, ihrem Mann, zur Frau, nachdem Abram zehn Jahre im Lande Kanaan gewohnt hatte. Und er ging zu Hagar, die ward schwanger. Als sie nun sah, dass sie schwanger war, achtete sie ihre Herrin gering. Da sprach Sara zu Abraham: „Das Unrecht, das mir geschieht, komme über dich! Ich habe meine Magd dir in die Arme gegeben; nun sie aber sieht, dass sie schwanger geworden ist, bin ich gering geachtet in ihren Augen. Der HERR sei Richter zwischen mir und dir.“ Abraham aber sprach zu Sara: „Siehe, deine Magd ist unter deiner Gewalt; tu mit ihr, wie dir‘s gefällt.“ Da demütigte Sara sie.
Der Schriftsteller Bernd Günther erzählt die weitere Geschichte: In dieser Nacht fand Hagar keinen Schlaf. Hin und her wälzte sie sich auf ihrer Schlafmatte. Immer wieder ging ihr im Kopf herum, was ihre Herrin gesagt hatte: »Wir wollen doch mal sehen, wer hier mehr zu sagen hat. Ich mache dich ganz klein. Du wirst jeden Tag solange arbeiten, bis du todmüde umfällst.« Drohend klang Saras Stimme, als sie dies sagte.
Hagar hatte Angst. Wie konnte sie sich gegen Sara wehren? Nichts fiel Ihr ein. Sie war ja nur eine Dienerin. Aber kleinmachen lassen wollte sie sich nicht. Da reifte in ihr ein Entschluss. Ja, sie musste von hier fort. Doch jetzt im Dunkeln? Das war unmöglich. Aber war nicht bald schon Morgen?
Sie stand auf. Vorsichtig tastete sie sich zur Zeltöffnung und kroch ins Freie. Im Osten war schon ein schmaler Lichtstreifen zu erkennen. Der würde ausreichen, um einen Weg zu finden.
Ob die anderen sie bemerkt hatten? Kein Geräusch durfte sie machen. Keiner durfte sie entdecken. Erst als sie das Zeltlager hinter sich hatte, lief sie so schnell sie konnte. Sie lief in die Wüste hinein.
Langsam wurde es hell. Immer noch hatte Hagar keine Pause eingelegt. Keiner sollte sie einholen können. Stunde um Stunde war nun vergangen. Jetzt stand die Sonne hoch am Himmel. Schwer waren Hagars Beine geworden. Da sah sie einen Brunnen. Bis dahin muss ich noch kommen«, dachte sie Sich, Und sie schaffte es. Dann verließen sie die Kräfte. Erschöpft legte sie sich in den Schatten eines Baumes.
Als sie aufwachte, wusste sie zuerst nicht, wo sie war. Sie rieb sich die Augen und schaute umher. Da erschrak sie, denn am Brunnenrand saß ein Mann, ein Engel Gottes. Er musste sie schon länger beobachtet haben. Als er ihr Erschrecken sah, sprach er Hagar an: »Du brauchst vor mir keine Angst zu haben. Ich selbst war erschrocken, dich hier zu sehen. Denn du lagst da wie tot. Ich bin froh, daß du lebst. Aber sag, was machst du hier in dieser Einöde? Wo kommst du her? Wo willst du Hin? Vielleicht kann ich dir helfen.«
Und der Engel reichte ihr Wasser, daß sie trinken konnte und gab ihr von seinem Brot zu essen. Da fasste Hagar Vertrauen zu dem Fremden und sprach: »Ich bin geflohen. Ich habe es bei meiner Herrin nicht mehr ausgehalten.« Und sie sagte ihm alles, was sie bedrückte, und breitete ihren Kummer aus. Er hörte ihr schweigend zu.
Dann sprach der Fremde: »Hagar, hör mir zu. Wohin willst du gehen? Du hast niemanden, der dich aufnehmen könnte. Hier in der Wüste ist es noch schrecklicher als bei deiner Herrin. Hier müsstest du sterben. Deshalb geh zu Sara zurück. Lass es zu, wenn sie dich kleinmacht. Denn es kommt bald eine Zeit, in der es anders werden wird. Du wirst Mutter werden und einem Sohn das Leben schenken.
Ismael sollst du ihn nennen. Denn Gott hat dein Elend erhört. Dieses Kind wird dein Leben verändern, denn es wird von Gott gesegnet sein.«
Der Mann verabschiedete sich von Hagar und ließ sie allein zurück. Lange schaute sie ihm nach. Wer war das? War das nicht sonderbar? Eine Botschaft hatte sie bekommen. Ihr wurde ganz heiß. Sie ging zum Brunnen und kühlte Gesicht und Hände mit Wasser.
Hagar fühlte sich wohl, entlastet und glücklich. In ihrer Freude rief sie: »Gott, du warst hier und bist mir in diesem Fremden begegnet. Du hast mich in meiner Not angesehen. Du bist ein Gott, der mich sieht, auch wenn ich mich verstecken möchte.«
Als es wieder etwas kühler wurde, machte sich Hagar auf den Weg zurück. Vor Sonnenuntergang kam sie im Zeltlager an. Abraham und auch Sara hatten sich schon Sorgen um sie gemacht. Hagar war müde und abgespannt. Sie brachte nur heraus: »Ich hatte mich verlaufen.«
Wie die Geschichte wohl weitergegangen ist zwischen den beiden Frauen? Auf jeden Fall wird auch Sara schwanger und gebiert später ebenfalls einen Sohn, Isaak.
Ich finde, es ist eine herrliche Geschichte voller menschlicher Schwächen Neid, Eifersucht, Mobbing – alles vorhanden, was wir auch an uns selbst zumindest in Ansätzen kennen. Was aber kann uns diese Geschichte denn für heute sagen?
Mir fällt als erstes der Name des Sohnes von Hagar auf. Ismael. Zum heutigen Tag passt es ja mehr als genau, dass Ismael sowohl in der Bibel als auch im Koran eine wichtige Bedeutung hat. Sein Name heißt übersetzt: „Gott ist ein Gott, der mich hört.“
Und genau diese Erfahrung macht ja auch Hagar. Der Bote Gottes hört ihr zu als sie ihm ihr Leid klagt. Er hört zu, dass sie von Sara gedemütigt wird.
Und das genau macht unseren Glauben ja aus. Wir glauben, dass Allah und der Vater Jesu Christi uns hören. Wir glauben, daran, dass unsere Gebete einen Sinn haben. Und wir glauben daran, dass es Gott und Allah nicht egal ist, was wir sagen. Im Gegenteil – sowohl Allah als auch Gott sind an einer lebendigen Beziehung zu den Menschen interessiert. Darauf ist unser Glaube gegründet.
Und genau das werden wir auch Mia Marie und Lenny erzählen, die gerade getauft wurden: Gott hört dich. Und er hört ganz besonders dann zu, wenn du ihm erzählst, wie es dir geht. Wenn es dir schlecht geht, tröstet er dich. Und wenn du dich freust, dann freut sich Gott mit dir.
Aber die Geschichte von Hagar zeigt mir noch einen weiteren wichtigen Punkt. Da heißt es: Und der Mann reichte ihr Wasser, daß sie trinken konnte und gab ihr von seinem Brot zu essen. Und: Hagar, hör mir zu. Wohin willst du gehen? Du hast niemanden, der dich aufnehmen könnte. Hier in der Wüste ist es noch schrecklicher als bei deiner Herrin. Hier müsstest du sterben. Deshalb geh zu Sara zurück.
Essen und Trinken und einen guten Rat zum Überleben. Wasser und Brot waren damals und sind es heute: Symbole des Lebens. Der Engel hilft Hagar zu überleben. Und er gibt ihr den Rat: „Versuche es, zu ertragen.“
Für mich ist auch das ein Fingerzeig für mein Leben. Ich bekomme von Gott das, was ich zum Leben brauche. Gott verspricht mir kein einfaches oder paradiesisches Leben. Das wird es auch danach für Hagar nicht gewesen sein. Manchmal kann man sein Leben einfach nur aushalten, durchhalten und die Zähne zusammenbeißen. Diese Momente gehören zu jedem Leben dazu. Das wird auch im Leben von Mia Marie und Lenny so sein – hoffentlich sehr selten.
Doch wichtig finde ich, dass ich dabei von Gott nicht alleine gelassen werde. Wasser und Brot stärkten Hagar und Gott stärkt auch dich und mich.
Und so wird diese so menschliche Geschichte von Abraham, Hagar und Sara zu einer Mutmachgeschichte für uns heute: Gott sieht dich und mich. Gott hört dich und mich. Er lässt dich nicht alleine und er lässt mich nicht alleine. er hilft mir mein Leben auszuhalten. Und er hilft dir, dein Leben auszuhalten. Ob Allah oder der Vater Jesu Christi, Gott sei Dank. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.