Predigt über Genesis 12, 1-4a
(3.11.2024, Auferstehungskirche, Thema: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Der Predigttext ist ein Text aus dem Alten Testament. Es ist der Bericht von der Berufung Abrahams. Ich lese aus dem Buch Genesis, dem ersten Buch Mose, aus dem 12. Kapitel die Verse 1-4a.
Da sagte der HERR zu Abraham: »Verlass deine Heimat, deine Sippe und die Familie deines Vaters, und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich will dich segnen und dich zum Stammvater eines mächtigen Volkes machen. Dein Name soll in aller Welt berühmt sein. An dir soll sichtbar werden, was es bedeutet, wenn ich jemand segne.
Alle, die dir und deinen Nachkommen Gutes wünschen, haben auch von mir Gutes zu erwarten. Aber wenn jemand euch Böses wünscht, bringe ich Unglück über ihn. Alle Völker der Erde werden Glück und Segen erlangen, wenn sie dir und deinen Nachkommen wohlgesonnen sind.«
Abraham folgte dem Befehl des HERRN und brach auf, und Lot ging mit ihm. Abraham war 75 Jahre alt, als er seine Heimatstadt Haran verließ.
Gott mutet Abraham sehr viel zu. Abraham ist 75 Jahre alt. Seine Frau und er haben keine Kinder. Nun auf einmal bekommt er diesen Befehl, diesen Auftrag: „Gehe aus deinem Vaterland und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus.“ Abraham soll alles aufgeben: Seine Heimat, seine Familie, seinen Besitz. Er soll alles dies mit 75 Jahren aufgeben, nur auf ein Wort Gottes hin. Zudem wird er völlig schutz- und hilflos, wenn er seine Familie verlässt. Recht und Gesetz waren im Alten Orient an die Familie gebunden. Der Einzelne zählte nur wenig. Abraham bekommt von Gott noch nicht einmal das Ziel gesagt, da heißt es nur: „in ein Land, das ich dir zeigen will.“
Im hohen Alter soll er noch einmal ganz von vorne anfangen, soll alle Sicherheit und allen Besitz zurücklassen und sich auf den Weg machen.
Gott gibt Abraham aber nicht nur einen Befehl, eine Aufgabe. Er schenkt Abraham auch sehr viel. Gott verspricht ihm, ihm trotz seines hohen Alters viele Nachkommen zu schenken. Abrahams Name soll einen ruhmvollen Klang bekommen. Gott schließt einen Bund mit Abraham.
Das Wichtigste aber, das Abraham mit auf den Weg bekommt ist der Segen Gottes. Gott segnet Abraham, er gibt ihm Kraft und Mut für seinen Weg. Gott also verlangt nicht nur etwas, er fordert nicht nur. Gott schenkt auch die Kraft, den Auftrag auszuführen.
Die Bibel beichtet uns, dass Abraham Gott vertraut hat. Er hat Gott geglaubt und hat sich auf den Weg gemacht. Er ließ alle seine Sicherheit zurück und verließ sich ganz allein auf sein Wort. Und so ist Abraham bis heute ein großes Vorbild für den Glauben im Islam, im Judentum und im Christentum. Er verbindet die Religionen miteinander.
Was aber können wir heute aus der Berufungsgeschichte und dem Verhalten des Abraham lernen? Es ist doch recht unwahrscheinlich, dass wir in eine ähnliche Situation kommen wie Abraham.
Wenn sich heute jemand mit 75 Jahren genauso verhalten würde, dann würden wir wohl leise schmunzelnd den Kopf schütteln und ihn einen komischen Kauz nennen. In unserem Leben ist es wichtig, Sicherheit zu haben. Wir versuchen, uns gegen alle Eventualitäten des Lebens zu versichern. Wir haushalten klug und versuchen, Reserven anzulegen. Wir sind auf Sicherheit bedacht, im Verkehr, im Beruf. Vorsichtig zu sein, Sicherheit zu haben, ist vernünftig und klug.
Aber die Menschen werden sich – so glaube ich – wieder mehr bewusst, dass sich das Leben nicht planen lässt, dass der Lebensweg nicht schnurgerade verläuft. Unser Leben, es ist schnell aus dem Rhythmus zu bringen. Der Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder Tod werfen Menschen schnell aus der Bahn. Dies kann von einer Minute auf die andere geschehen. Gegen solche Sackgassen, Kurven und Hindernisse kann man sich nicht versichern.
Ein erfülltes, ein schönes und glückliches Leben, dies liegt nicht alleine in der Hand des Menschen. Es liegt auch daran, dass Gott seine heilende Lebenskraft, den Segen schenkt. Wir sprechen von einem „gesegneten Alter“, wenn ein Mensch eine hohe Anzahl von Lebensjahren erreicht hat. Wir reden von einem „gesegneten Zustand“, wenn eine Frau schwanger geworden ist und danach dann von einem „Kindersegen“. Menschen sind ein Segen für jemanden, wenn sie das Leben erleichtern oder verschönern. „Du bist ein Segen für mich“ sagen wir dann.
Die Geschichte von Abraham zeigt uns, dass der Segen Gottes ein Geschenk ist. Abraham muss sich den Segen Gottes nicht erarbeiten. Er muss sich nicht erst einen Verdienst anhäufen bevor er von Gott Mut und Lebenskraft bekommt. Abraham gibt alle Sicherheit auf und verlässt sich ganz auf die eine Sicherheit: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ Gott spendet seinen Segen in reichlichem Maße. Menschen können sich des Segens Gottes sicher sein. Wann immer wir Kraft brauchen und neuen Mut, dann können wir vor Gott treten und um seinen Segen bitten. Seinen Segen wird er uns niemals verweigern, denn jeder einzelne Mensch ist für Gott unendlich wichtig, wertvoll und liebenswert. Jeder und jede! Der Segen Gottes ist ein Geschenk, das nur abgeholt werden muss.
Aber auch wenn wir unter dem Segen Gottes leben, heißt dies nicht, dass unser Lebensweg immer nur geradeaus und bequem sein wird. Auch Abrahams Weg ist nicht einfach gewesen. Wir werden auch weiterhin Angst, Not, Sorgen und Trauer empfinden. Aber wir dürfen sicher sein: Gott ist da. Er ist meine absolute Sicherheit. Er gibt Kraft!
Mit dem Segen Gottes, da hat es aber auch noch eine andere Bewandtnis. Abraham empfängt den Segen und wird zum Segen für andere Menschen. Die Kraft, den Mut und die Lebensfreude, die Gott schenkt, sie verändern Menschen. Der Segen will wirksam sein, er will sich auswirken. Der Segen ist kein heimliches Konto, von dem man nur so viel abhebt, wie man für sich braucht. Der Segen wird im Überfluss geschenkt, so dass er von uns auf andere Menschen überfließen kann. Menschen, die von Gott Kraft bekommen, können auch anderen Menschen Kraft geben. Menschen, die wieder neuen Mut gewinnen, können andere ermutigen. Menschen, die nach einem dunklen Tal wieder Lebensfreude empfinden, können andere trösten. Menschen werden durch den Segen Gottes zu einem Segen für andere. Auch in unserer sehr lebendigen Gemeinde spüre ich oft, dass Menschen, die sich mit Liebe und Freude einsetzen, ein Segen für andere sind. Nicht jeder muss dafür einen Kreis der Gemeinde leiten oder im Presbyterium sein. Manchmal sind ein Wort, ein in den Arm nehmen, ein stilles Begleiten ein reicher Segen für einen Menschen.
Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir uns immer wieder an Gottes großartiges Angebot erinnern. Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir etwas von Gottes heilmachender Kraft in unserem Leben spüren. Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir Menschen begegnen, die für uns ein Segen sind. Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir durch Gottes Segen zum Segen für andere werden. Denn auch für unseren Lebensweg gilt die eine Sicherheit, die Gott Abraham versprochen hat und gehalten hat: „Ich will dich segnen.“
Schließen mag ich mit einer kleinen Geschichte vom Heiligen Franziskus. Ein Mitbruder von Franziskus quälte sich sehr. Er ersehnte sich ein gutes Wort von Heiligen, traute sich aber nicht Franziskus anzusprechen. Dieser spürte jedoch, dass mit Bruder Leo, so hieß der gequälte Mitbruder, etwas nicht in Ordnung ist. So ließ er sich Tinte und Papier bringen und schrieb ein Segensgebet für Bruder Leo auf. Dieser trug getröstet dieses Blatt bis zu seinem Lebensende bei sich. Noch heute wird dieses Schriftstück des Heiligen Franziskus in Assisi aufbewahrt und gezeigt. Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause