Predigt am 2.S.n.Tr. über Epheser 2, 17-22
(9.6.2024; Auferstehungskirche, Thema: die Gläubigen bilden den Tempel Gottes)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Der Bibeltext nimmt mich hinein in ein faszinierendes Projekt. Es geht um den Bau eines Tempels, einer Wohnung für Gott. Aber keine, die einfach zerstört werden kann wie viele vor ihr. Die neue Wohnung ist gegründet auf Christus und den großen Figuren der Glaubensgeschichte. Gott selber baut sie; er tut es bis heute. Die Wohnung besteht aus den Gläubigen und ist gleichzeitig auch Heimat für sie. Menschen werden zu Mitbewohnern Gottes. Das kann den Glauben neu inspirieren.
Die Faszination für Bauprojekte ist nichts Modernes. Die gab es auch zu Zeiten des Neuen Testaments. Paulus und seine Schüler fanden Bauprojekte wohl mitreißend. Es gibt einige Briefe im Neuen Testament, die durch das Denken von Paulus geprägt sind. Da findet sich das Bauen als Bildsprache für den Glauben. Vieles, was mit dem Leben als Gemeinde zu tun hat, wird dort mit Bauprojekten verglichen.
Ein beeindruckendes damaliges Bauwerk stand in der griechischen Stadt Ephesus. Dort stand eines der sieben Weltwunder der Antike: der Tempel der Artemis, der größte Tempelbau der damaligen Welt. Über einhundert Jahre Bauzeit. Die Menschen in Ephesus wussten, was es mit riesenhaften Bauprojekten auf sich hat. An die Menschen in dieser Stadt richtet sich der Brief. Auch darin geht es um ein Bauprojekt, das in ganz großen Dimensionen denkt. Ein Bauprojekt, das wirklich faszinierend ist. Es geht um ein Bauprojekt von Gott. In Jesus hat er es vorbereitet:
Und dann kam Jesus Christus und hat diesen Frieden allen verkündet: euch, die ihr fern wart, und ebenso denen, die nahe waren. Durch ihn dürfen wir beide, Juden und Nichtjuden, in einem Geist vor Gott, den Vater, treten. Ihr Menschen aus den anderen Völkern seid also nicht länger Fremde und Gäste. Ihr habt Bürgerrecht im Himmel zusammen mit den heiligen Engeln, ihr seid Gottes Hausgenossen. Denn ihr seid ja in den Bau eingefügt, dessen Fundament die Apostel und Propheten bilden, und der Eckstein im Fundament ist Jesus Christus. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten, durch ihn, den Herrn, wächst er auf zu einem heiligen Tempel. Weil ihr zu Christus gehört, seid auch ihr als Bausteine in diesen Tempel eingefügt, in dem Gott durch seinen Geist wohnt.
Eine verwegene Idee, die durch die Jahrtausende hallt. Ein Haus für Gott. Eine alte und kühne Idee. Schon immer hatten Menschen die Sehnsucht, Gott zu begegnen. Das ist ganz tief in uns. Also wollen Menschen ein Haus für Gott bauen. Ein Haus, in dem Gott wohnen kann. Und in dem Menschen dann Gott begegnen können. Würden wir heute in den Mittelmeerraum reisen – heute könnten wir viele Ausgrabungsorte besuchen. Menschen haben über die Jahrtausende versucht, ein Haus für Gott, oder ihre Götter zu bauen. Noch heute zeugen viele archäologische Ausgrabungen davon. Auch damals, in Ephesus, der riesenhafte Tempel für Artemis. Und auch bei dieser Kirche, in der wir Gottesdienst feiern, spielten vielleicht solche Motive eine Rolle. Ein Haus für Gott. Ein Haus, in dem Gott wohnen kann. Und in dem Menschen Gott begegnen können.
Diese Idee gab es auch im alten Israel. Dort wurde ein Tempel für Jahwe gebaut. Aber diese Idee wurde immer wieder erschüttert. Denn menschliche Gebäude können zerstört werden. Tempel können zerstört werden. Das hatten die Menschen in Ephesus mit ihrem Tempel der Artemis erlebt. Das hatten die Israeliten erlebt. Der Tempel in Israel wurde zwei Mal zerstört. Das waren heftige Erschütterungen. Aber sie zwangen die Menschen damals auch zum Umdenken und Weiterdenken: Ein Haus, in dem Gott wohnen kann: Ist Gott nicht größer? Wie kann Gott in dieser Welt wohnen? Braucht es nicht einen anderen Ort, an dem Menschen Gott begegnen können?
Diese Fragen hallen im Neuen Testament wieder. Bis in den Epheserbrief hinein. Da ist sie wieder, die verwegene Idee: Ein Haus für Gott. Ein Tempel. Aber eben anders. So, dass Gott dort wirklich wohnen kann. Ein Ort, der zur Größe und zum Geheimnis Gottes passt. Ein Tempel, in dem Menschen Gott begegnen können. Aber eben ein Tempel, den Menschen nicht einfach zerstören können. Ein Tempel, den Gott selber baut. Ein Haus für Gott. Und Gott baut es selbst. Was für eine kühne Idee.
Aber für ein Bauprojekt braucht es nicht nur eine Idee. Es braucht gute Bedingungen, passende Baustoffe und Arbeitskraft. Gute Bedingungen hatte Jesus geschaffen. Im Bibeltext heißt es: „Er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren.“
In Kampf und Krieg lässt sich nichts bauen. Aber Jesus hat Frieden gebracht. Den Griechen und anderen Nationen in Ephesus und den Juden in Israel. Es geht nicht mehr um einen ewigen Streit zwischen den Völkern. „Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater“ heißt es im Predigttext. Mit Jesus hat jeder Mensch den gleichen Zugang zu Gott.
Friede und Gleichheit zwischen den Menschen ist gut; und wichtig für das Tempelbauprojekt. Es braucht dafür die passenden Baustoffe. Und die schauen so aus: Das Fundament sind die Apostel und die Propheten. Noch heute lässt sich in den biblischen Texten ihre Stimme hören. Der Eckstein ist Jesus. Vom Eckstein geht der ganze Bau aus. Er ist die Grundlage. Ohne ihn kann der Tempel nicht gebaut werden. Der Eckstein gibt dem Tempel seine Stabilität und seinen Halt. So wichtig ist Jesus. Er hat Frieden gebracht. Zwischen Gott und den Menschen und zwischen den Gläubigen verschiedener Völker. Durch ihn haben alle den gleichen Zugang zu Gott. Ohne Jesus gelingt der ganze Bau nicht. Auf ihm wächst der Tempel in die Höhe.
Und woraus besteht dieser Tempel? Aus den Gläubigen. Aber die sind nicht einfach stumme Steine. Nicht einfach willenloses Menschenmaterial. Sondern sie sind „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“. Sie haben volle Rechte und volle Würde. Sie sind für Gott ein Gegenüber. Seine Mitbewohner in seinem Tempel. Wenn du einen Mitbewohner oder Hausgenossen hast, weißt du: das ist nicht immer schön. Natürlich gibt es gemütliche Zeiten zusammen. Für mich, wenn man gemeinsam ein Essen genießt. Aber zusammen wohnen kann auch Ärger bedeuten. Da braucht es Ehrlichkeit. Konflikte müssen durchgefochten werden. Und richtig verstecken voreinander kann man sich auch nicht lange. „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenosse“ sein – das mutet Gott sich und den Menschen zu. Das ist ein besonderes Wohnprojekt im Tempel. Und es sind die Gläubigen miteinander, die diesen Tempel erst ergeben. Sie ergänzen sich gegenseitig. So können sie zusammenwachsen.
Das Bauprojekt, das weiterwächst und sich entwickelt an verschiedenen Orten in der Welt und zu verschiedenen Zeiten. Vielleicht auch hier und heute. Jesus hat jedem Menschen den Zugang zu Gott geöffnet. Ich finde es faszinierend, ein Teil von diesem Bauprojekt zu sein. Ich gehöre dazu und bin trotzdem nicht fest verbaut: Freiheit und Beziehungen, das sind im Glauben keine Gegensätze. Ich trage zu etwas bei, das bleibt, und kann mich trotzdem entwickeln: Gottes Tempel bekommt durch mich eine persönliche Note. Ich habe ein festes Fundament und kann immer wieder Neues darüber lernen: als Mitbewohner Gottes will ich ihn persönlicher kennenlernen.
Gott wohnt in mir und ich wohne im Haus von Gott. Ein faszinierendes Projekt. Ich glaube, Teil von Gottes Projekt zu sein, ist eine besondere Einladung.
Schließen möchte ich mit einer kleinen Geschichte mit dem Titel: „Ein lebendiger Stein“:
Ein Mann war mit seiner Gemeinde unzufrieden. Er sah die Mängel und Fehler, spürte den Sand im Getriebe und zog sich daraufhin immer mehr zurück. Er klagte und grollte. Da schenkte ihm Gott einen Traum. Ein Engel trug ihn hinauf in Gottes ewige Welt. Dort sah er das Haus Gottes als einen wunderbaren Tempel. Er staunte über das herrliche, majestätische Bauwerk. Doch da entdeckte er im Mauerwerk eine Lücke. Offenbar fehlte dort ein Stein. So entstand in dem schönen Bauwerk ein hässliches Loch. „Was bedeutet diese Lücke im Haus Gottes?", fragte er den Engel. „Diese Lücke hast du gemacht, als du dich aus der Gemeinde zurückzogst!", sagte der Engel. „Gott wollte dich an dieser Stelle gebrauchen, aber du sahst nur die Fehler der anderen. Vor lauter Klagen und Grollen über die anderen bist du gar nicht dazu gekommen, deinen Platz auszufüllen. Nun gibt es im Tempel Gottes diese hässliche Lücke!" Da erwachte der Mann. Und mit neuer Freude arbeitete er nun in der Gemeinde mit. Trotz aller Unzulänglichkeiten wollte er ein lebendiger Stein im Hause Gottes sein. Das Ganze mittragen und selber getragen werden. Er wollte die Lücke im Hause Gottes ausfüllen. Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause