Predigt am 20.Sonntag nach Trinitatis über 2.Korinther 3,1-6
(13.10.2024, Auferstehungskirche)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Ihr, Menschen hier in der Auferstehungskirche in Neuss. Hört zu, denn ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen: Ihr als Gemeinde seid keine Empfehlung für die Sache Gottes. Ihr strahlt nichts aus, mit dem ihr andere Menschen für die Gemeinde gewinnen könnt. Das fängt schon bei euren Pfarrern an. Sie sind keine richtigen Boten der guten Nachricht Gottes. Sie schreiben zwar hochtheologisch, aber selbst sind sie nicht glaubwürdig. Nein, sie sind mickrig und klein. Sie lehren euch etwas Falsches. Sie leben nicht genug im Geist Gottes. Deswegen ist hier kein Leben in der Gemeinde. Erst der Geist Gottes ermöglicht doch Leben.
Außerdem unterschlagen sie die Kollektengelder der Gemeinde. Kehrt endlich um als Gemeinde, besinnt euch endlich auf den richtigen Weg! Gebt dem Geist Gottes endlich Raum bei euch! Werdet endlich als Gemeinde eine Empfehlung für die Sache Gottes.
Einige von ihnen schauen etwas verwundert. Sind wir damit gemeint? Keine Sorge, ich will mir dieses Urteil nicht anmaßen und es stimmt auch nicht.
Diese Vorwürfe, die Sie gerade gehört haben - diese Vorwürfe hat man Paulus gemacht. Fremde Missionare waren zur Gemeinde in Korinth gekommen und haben Paulus angegriffen. Die Werbung der Missionare für sich selbst war perfekt und auch sie, als Missionare schienen perfekt zu sein. Sie brachten eine ganze Tasche voller Empfehlungsschreiben anderer Gemeinden mit. Und sie vollbrachten viele neue Dinge, angeblich im Geist Gottes: Ekstase, Zungenreden, Prophetie, Heilung im Geist, und, und, und... Sie sprachen damit die Menschen in Korinth an. Viele Gemeindeglieder folgten ihnen und wandten sich von Paulus ab.
Für Paulus war das eine große Enttäuschung. Ihm war die Gemeinde in Korinth sehr wichtig. Er hatte 1 ½ Jahre dort mit den Menschen zusammen gelebt.
Als er jetzt von den Ereignissen hört, geht er nach Korinth, um die Gemeinde für die Verkündigung Jesu Christi zu gewinnen. Aber als er dort ankommt, wird er ausgelacht, die Menschen nehmen ihn nicht mehr ernst. Schweren Herzens verlässt Paulus die Stadt. Aber er kämpft weiter um die Gemeinde in Korinth. Er schreibt verschiedene Briefe, in denen er versucht, die Gemeinde von ihrem Irrweg abzubringen. Der heutige Predigttext stammt aus solch einem Brief. Ich lese aus dem 2.Korintherbrief, aus dem 3.Kapitel die Verse 1-6 vor:
„Hört sich das an, als ob ich mich schon wieder selbst anpreise? Oder brauche ich vielleicht Empfehlungsschreiben an euch oder von euch, wie gewisse Leute sie nötig haben? Ihr selbst seid mein Empfehlungsschreiben - in euren Herzen steht es geschrieben. Jeder kann es lesen und verstehen. Jeder kann sehen, daß ihr ein Brief Christi seid, ein Brief, den er durch meinen Dienst geschrieben hat. Dieser Brief ist nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes. Er steht nicht auf Steintafeln, sondern in den Herzen von Menschen.
Ich traue mir so viel zu, weil Gott mich dazu fähig gemacht hat. Aus eigener Kraft bin ich einem solchen Auftrag nicht gewachsen. Alles, was ich kann kommt von Gott. Er hat mich befähigt, seinen neuen Bund überall bekannt zu machen. Durch diesen Bund gibt Gott nicht ein geschriebenes Gesetz, sondern seinen Geist. Denn der Buchstabe tötet. Der Geist aber macht lebendig.“
Paulus gibt nicht auf. Er kämpft um die Gemeinde, um die Menschen in Korinth. Er möchte, daß Gottes Wort eine gute Botschaft für die Menschen bleibt. Dafür setzt er sich auch gegen die anklagenden Vorwürfe zur Wehr. Er versucht der Gemeinde in Korinth ganz deutlich vor Augen zu halten, daß er ein aufrechter Verkündiger der guten Botschaft Gottes ist.
Paulus zählt dabei nicht alles auf, was durch ihn schon geschehen ist. Und wir heute wissen doch, daß gerade Paulus nun allen Grund gehabt hätte, sich zu rühmen, wie kein anderer. Niemand ist so weit gereist wie er. Niemand hat so viele Gemeinden gegründet wie er. Niemand hat sein Leben so in den Dienst Gottes gestellt wie er. Niemand ist so oft verfolgt und ins Gefängnis geworfen worden wie Paulus. Das zählt aber nicht. Paulus listet nicht einen dieser Verdienste auf. Paulus verhält sich nicht wie seine Gegner. Nein, er weist über sich hinaus. Es sei nicht sein Verdienst, nicht seine eigene Kraft und Leistung. „Alles, was ich kann, kommt von Gott. Er hat mich befähigt.“ Es ist der Geist Gottes auf den Paulus verweist. Er ist es, der ihm Paulus Kraft gab und gibt, er ist es, der die Herzen der Gemeindeglieder erobert, nicht allein Paulus.
Dieser Streit, dieser Kampf des Paulus ist ein Stück Kirchengeschichte, das uns zeigt, daß auch in den ersten Gemeinden keineswegs immer nur Einigkeit und Frieden die Oberhand hatten. Aber was haben dieser Streit und die Antwort von Paulus für uns heute zu bedeuten? Wenn die Vorwürfe der Gegner hier in Neuss nicht zutreffen, was haben uns dann die Worte des Paulus heute hier in der Auferstehungskirche zu sagen?
Sie rufen uns ins Gedächtnis, daß es der Geist Gottes ist, der uns als Gemeinde lebendig macht und erhält. Es ist der Geist Gottes, der die Herzen der Menschen erreicht. Kein auf Papier geschriebenes Empfehlungsschreiben vermag dies und keine noch so beeindruckende Leistung eines Menschen.
Der Geist Gottes, heiliger Geist - geht es Ihnen nicht auch so, daß Sie sich gerade mit ihm oft schwertun? Unter Gott, dem Vater und unter Gott, dem Sohn können wir uns etwas vorstellen. Aber mit dem Geist Gottes ist es uns schwerer. Wer oder was ist denn der Heilige Geist, der Geist Gottes?
Der Geist Gottes ist Gottes Gegenwart unter uns. Der Geist Gottes ist Gottes Zuwendung an uns. Deswegen bitten wir in unseren Gottesdiensten um den Geist Gottes. Wir bitten darum, daß Gott gegenwärtig ist. Heute haben wir dies z.B. mit dem Eingangslied getan: „O komm, du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein.“
Aber durch unsere Unsicherheit spüren wir oft wenig vom Kommen des Geistes. Wir lassen uns nicht auf ihn ein. Doch er kommt! Er kommt zu uns Menschen, nicht wir müssen zu ihm. Der Geist Gottes nimmt uns hinein in die Gemeinschaft mit Gott. Er überwindet alle menschliche Blindheit und Schwerhörigkeit. Er hilft uns unsere Sprachlosigkeit zu überwinden, so daß wir glauben können.
Ich empfinde dies als eine große Ermutigung und Stärkung. Gott bin ich so wichtig, daß er sich um mich bemüht. Er ist bei mir - wie Paulus es sagt - in meinem Herzen. Er ist mir Hilfe jeden Tag wieder neu. In aller Unsicherheit meines Lebens ist er mit Sicherheit bei mir.
Dieses Bemühen Gottes gilt jeder und jedem einzelnen von uns. Gott geht uns nach - dahin, wo wir leben. Daran erinnert uns Paulus. Gottes Geist ist mit uns. Wir müssen in unserem Leben nicht alles alleine und aus eigener Kraft schaffen. Gottes Geist erlöst uns aus den Einsamkeiten unseres Lebens - aus der Einsamkeit unserer Angst, aus der Einsamkeit unseres Misstrauens und aus der Einsamkeit unserer Resignation und unseres Unglaubens.
Trotz aller Ermutigung und Stärkung ist das Leben im Geist Gottes, das Leben im Vertrauen auf Gottes Geist nicht einfach - ist eine Herausforderung an uns. Denn der Geist Gottes ist nicht beliebig verfügbar. Er weht, wo er will. Er lässt sich nicht einfangen - weder mit Regeln noch mit Gesetzen oder Ordnungen. Es gibt keinen festgelegten Weg, kein Rezept, nach dem wir als Christen unser Leben führen können. Auch wenn wir uns dies wünschen.
Vielleicht denken jetzt einige von Ihnen: „Wo kann ich denn in meinem konkreten Leben, in meinem Alltag das Mitsein Gottes erleben?“
Kennen Sie das auch, daß man manchmal vor Aufgaben gestellt ist, die einen unsicher machen? Wo dann ganz schnell die Frage auftaucht: „Schaffe ich das? Habe ich dafür genug Kraft?“ Sicherlich haben wir das alle schon erlebt und sind vielleicht sogar im Augenblick in einer solchen Situation: Angst um den Arbeitsplatz; Streit in der Familie; das Gefühl, ein sinnloses Leben zu führen; Infragegestellt-sein durch eine Krankheit oder der Verlust eines geliebten Menschen. Es gibt viele Wendungen des Lebens, die uns vor die Frage stellen: „Schaffe ich das?“
Paulus macht uns Mut, indem er schreibt: „Gott hat mich befähigt.“ Paulus hat die Erfahrung gemacht, daß Gott ihm geholfen hat, wenn er selber nicht mehr weiter wusste. Diese Erfahrung will Paulus weitergeben. Uns sagt er: „Ja, mit Gottes Hilfe, mit eigenem Nachdenken und Engagement und mit anderen Menschen zusammen, da kann es gelingen. Da können die Aufgaben unseres Lebens bewältigt werden.“ In dem Wissen, daß Gott uns die Kraft gibt, uns unseren Aufgaben und Herausforderungen zu stellen und in dem Wissen, daß er in unserem Bemühen bei uns ist, können wir unser Leben in Angriff nehmen. Da können wir das Selbstbewusstsein erlangen, mit dem wir in der Arbeitslosigkeit bestehen können. Da können wir Geduld und Liebe aufbringen, um einen Streit zu beenden. Da werden wir Wege aus der Sinnlosigkeit finden. Da können wir der Krankheit standhalten. Da erfahren wir Trost und Geborgenheit, wenn wir traurig sind. Gott hilft uns in unserem ganz konkreten Alltag.
Wie wir uns dieses Mitsein Gottes vorstellen können, kann vielleicht eine kleine Geschichte verdeutlichen:
„Eines Tages erfuhr ein junger Mann, daß Gott zu ihm kommen wolle. „Zu mir?“ rief er erschrocken, „dahin, wo ich wohne und lebe? Unmöglich, doch nicht in diesen Dreckstall.“ Hastig machte er sich ans Aufräumen. Ein anderer Mann kam ihm ohne viele Worte zu Hilfe. Sie arbeiteten zusammen.
„Das schaffe ich nie!“ stöhnte der junge Mann. „Das schaffen wir!“ sagte der andere. So ging das den ganzen Tag. „Das schaffe ich nie!“ jammerte der junge Mann. „Das schaffen wir!“ beruhigte ihn immer wieder der andere.
Abends saßen sie endlich gemeinsam am Tisch. „So, jetzt kann Gott kommen“ atmete der junge Mann erleichtert auf. Dann wurde er sogar ein bisschen nervös in seiner aufgeräumten Wohnung und schaute immer wieder in Richtung Eingangstür: „Wo bleibt Gott nur? Jetzt ist doch alles fertig!“ Da sagte der andere plötzlich: „Reg dich nicht auf, ich war doch die ganze Zeit schon da. Komm und iss in Ruhe mit mir!“
Gottes Zuwendung an uns ist verlässlich. Daran brauchen wir nicht zu zweifeln. Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause