Predigt am 3.S.n.Tr über 1. Timotheus 1, 12-17
(6.7.2025; Auferstehungskirche, Thema: Vergebung von Schuld)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Es gibt im Neuen Testament einen Brief, in dem es vor allen Dingen um den rechten Glauben geht und um die Ordnungen, die für eine junge christliche Gemeinde gelten sollen. Denn so lange gab es das Christentum noch nicht. Da gab es viel Unsicherheit, was denn gut und richtig für eine christlich Gemeinde ist und was falsch für sie sei.
Ganz am Anfang legitimiert sich der Brief erst einmal. Er beruft sich darauf, von Paulus geschrieben worden zu sein. Und so geht er noch einmal auf die Geschichte des Paulus ein. Wir kennen die Geschichte des Paulus: Er war ein sehr frommer Jude mit dem Namen Saulus. Er hasste die Christinnen und Christen, weil er in ihnen eine Verfälschung des reinen jüdischen Glaubens sah. Also verfolgte er im Auftrag des Hohen Rates die Christinnen und Christen, ließ sie ins Gefängnis werfen. Doch auf einmal stellt sich der auferstandene Jesus ihm als Vision in den Weg. „Warum verfolgst du mich?“ Paulus stürzt vom Pferd, wird blind. Nach drei Tagen hört er im Auftrag Gottes von der guten Botschaft Jesu und wird wieder sehend. Anschließend wird er zum eifrigsten Missionar des Christentums und verbreitet es im ganzen Mittelmeerraum. Der Legende nach wird Petrus wie Jesus gekreuzigt.
Es gibt nur ein Problem: Obwohl der Timotheusbrief den Anspruch hat, ein Brief von Paulus an seinen engen Mitarbeiter Timotheus zu sein, ist dies schlicht eine Fälschung. So sollte der unter falschem Namen geschriebene Brief mehr Aufmerksamkeit bekommen. Nun, es ist ihm immerhin gelungen, in die Bibel aufgenommen zu werden.
Aber dennoch hat der Text uns etwas zu sagen. Wir hören auf die Worte des Timotheusbriefes:
Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt, mich, der ich früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler war; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich habe es unwissend getan, im Unglauben. Es ist aber desto reicher geworden die Gnade unseres Herrn samt dem Glauben und der Liebe, die in Christus Jesus ist.
Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin. Aber darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben. Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit!
Das Erste was mir auffällt: Paulus verbirgt nichts! Er gibt unumwunden zu, was er gemacht hat. Durch die Verfolgung, die er maßgeblich vorangetrieben hat, hat er Familien zerrissen, Menschen ins Gefängnis gebracht und viel Leid und Unglück über sie gebracht. Aber er gibt es zu, will nichts vertuschen, geht offen mit seiner Schuld um.
Wie anders agieren wir Menschen oft. Als negatives Beispiel kann gerade gut Alfons Schuhbeck gelten. Der bekannte Koch hat viele Jahre lang versteckt, dass es um seine Firmen nicht gut bestellt ist. Alles das hat ihn ins Gefängnis gebracht. Jetzt erst, wo er todkrank ist, macht er reinen Tisch. Nicht anders war es bei Boris Becker, der in England im Gefängnis saß oder bei Uli Hoeneß. Alle hatten bis zuletzt versucht, zu tricksen, zu verstecken, zu vertuschen. Sie wollten ihr Heldenimage behalten und wurden zu tragischen Figuren.
Nun ist es immer einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Aber wie sieht es bei uns selbst aus? Welche Dinge verbergen wir? Welche Dinge verstecken wir? Was soll bei uns auf gar keinen Fall bekannt werden? Ja, es ist verständlich, seine dunklen Seiten zu verbergen. Denn sie offen zu zeigen hat auch mit Scham zu tun. Außerdem wird dann das eigene reine Selbstbildnis von uns zerstört. Es ist gar nicht einfach zu erkennen, dass ich nicht der bin, der ich gerne sein möchte.
Ein zweiter Gedanke: Es ist gut, vor den Menschen seine Fehler zuzugeben. Und besonders wichtig ist es, dies auch vor Gott zu tun. Immer, wenn Menschen versuchen, etwas vor Gott geheim zu halten, dann misslingt dies. Weder Adam noch Eva können dies und auch Kain gelingt es nicht. Und doch sind wir immer in der Versuchung, uns auch vor Gott in ein gutes Licht zu stellen. Wir schönen die Wahrheit und sagen nicht alles immer ganz offen. Aber das hat leider eine Kehrseite. Das was ich Gott nicht vollständig erzählte, das bleibt als Ballast und unbewältigte Schuld auf meiner Seele sitzen. Wenn ich vor Gott meine Schuld bringe, dann sollte ich es ganz tun. Nur so kann ich auch die ganze Vergebung erfahren und einen wirklichen Neuanfang erleben.
Ein dritter Gedanke: Wie schade, dass die Evangelischen die Beichte nicht kennen. Viele halten die Beichte für eine rein katholische Veranstaltung. Dabei stimmt das gar nicht. Auch die evangelische Kirche kennt die Beichte. In den dreißig Jahren meines Dienstes allerdings wollten erst zwei Menschen explizit die Beichte ablegen. Das Gute bei der Beichte ist der direkte und klare Zuspruch der Vergebung. „Dir ist deine Schuld vergeben. Geh hin und handle demnächst anders.“
Der Zuspruch der Vergebung hat eine Konsequenz: Er lässt Menschen wachsen. Nun, Paulus war wohl nie einer, der an großen Selbstzweifeln litt. Doch die erfahrene Begegnung lässt auch ihn wachsen. So sagt er: „Ich bin der Erste, ich habe die Vergebung erfahren und bin so zum Vorbild für die anderen geworden. Wie gesagt, an Selbstbewusstsein mangelte es ihm nicht. Aber auch wir werden wachsen, wenn wir die Vergebung erfahren. Denn dann können wir aus vollem Herzen sprechen: „ich bin frei.“ „Ich bin gut!“ „Ich bin geliebt.“
Was das im Leben eines Menschen bedeuten kann, erzählt eine Geschichte:
Franziskus und die Räuber
Überall ist der Name des heiligen Franziskus bekannt. Man weiß, daß er in Assisi gelebt und den Orden der Minoritenbrüder gestiftet hat. Es lieben und verehren ihn noch heute alle Christen, ganz gleich, welcher Konfession sie angehören. Denn in Franz von Assisi begegnet uns ein Mensch, der nach seiner tiefgreifenden Bekehrung zur bedingungslosen Nachfolge Christi fand und in großer Liebe zu allen Geschöpfen Gottes lebte.
Seine Nachfolger lehrte Franziskus, alle Menschen zu lieben, besonders die Armen und Unterdrückten, die Unglücklichen und Verzagten, die Diebe und Räuber. In seiner Ordensregel schrieb er: „Jeder, der zu den Brüdern kommt, Freund oder Feind, Dieb oder Räuber, soll mit Güte empfangen werden." Aber sogar seinen nächsten Jüngern fiel es schwer, ihm in diesem Stück zu folgen. Vielleicht dachten sie, wie wir heute noch denken, das hieße, den Bösen seiner gerechten Strafe zu entziehen und ihn mit einer Güte zu belohnen, die er nicht verdient habe und die er nicht zu schätzen wisse. In einer sehr alten Schrift ist darüber folgende Begebenheit verzeichnet: In einer Einsiedelei auf dem Monte Casale geschah es, daß Räuber, die sich sonst in den Wäldern aufhielten und Reisende überfielen, an die Tür kamen und um Brot baten. Einige Brüder aber sagten, es sei nicht recht, ihnen Almosen zu geben.
Als Franziskus diese Einsiedelei besuchte, legten die Brüder ihm die Frage vor, ob man Räubern Almosen geben müsse. Da antwortete Franziskus ihnen: „Geht und beschafft gutes Brot und guten Wein und tragt es ihnen in den Wald hinaus. Sucht sie, bis ihr sie findet und ruft sie: „Brüder Räuber, kommt hervor. Wir sind die Brüder und wir bringen euch gutes Brot und guten Wein!' Sie werden bestimmt kommen. Ihr sollt dann ein Tischtuch auf der Erde ausbreiten und ihnen den Tisch decken und sie freundlich und demütig bedienen, während sie essen. Wenn sie aber gegessen haben, sollt ihr ihnen das Wort Gottes sagen. Zuletzt bittet sie, euch ein Versprechen zu geben: daß sie nämlich niemanden töten und niemandem etwas leiblich Böses mehr zufügen.
Am folgenden Tag sollt ihr dann als Belohnung für ihr gutes Versprechen mit Brot und Wein, Eiern und Käse zu ihnen hinausgehen und sie wieder bedienen, während sie essen. Und wenn sie gegessen haben, sollt ihr sie fragen: ,Warum haust ihr hier in den Wäldern, leidet Hunger und erduldet manches andere und begeht viele Sünden in Gedanken und Werken und setzt dazu eure Seele aufs Spiel? Es ist viel besser, dem Herrn zu dienen; er wird euch auch verleihen, was ihr hier auf Erden nötig habt, und ihr errettet zugleich eure Seele.' Dann wird der Herr ihnen eingeben, daß sie sich um eurer Demut und Geduld willen bekehren."
Die Brüder taten alles, wie ihnen Franziskus geraten hatte. Und es kam so, wie er ihnen vorausgesagt hatte. Aus Dankbarkeit und durch Gottes Barmherzigkeit hielten sie Punkt für Punkt alles, worum die Brüder sie baten. Ja, um der Demut und des Vertrauens der Brüder willen fingen sie an, ihnen zu helfen und trugen ihnen Holz in die Einsiedelei. Endlich traten einige von ihnen in den Orden ein. Andere beichteten ihre Sünden und taten Buße und gelobten den Brüdern feierlich, in Zukunft von ihrer Hände Arbeit zu leben und von ihrem bösen Leben zu lassen.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.
Hier sind alte Andachten zu finden:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause