Predigt an Pfingstsonntag über Hesekiel 37, 1-14
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
Wenn ich im Moment auf diese Welt schaue, dann sehe ich wenig, was mir Hoffnung macht. Ich sehe aber vieles, was mir Sorgen bereitet. Die Folgen des Klimawandels sind inzwischen deutlich zu spüren. Auf der einen Seite gibt es verheerende Dürren wie z.B. in Namibia. Auf der anderen Seite massivste Überschwemmungen. Und alles das wird sich noch verstärken. Der Meeresspiegel steigt und wird hunderte Millionen Menschen in die Flucht zwingen. Schon heute machen sich Hunderttausende auf in Richtung Europa und USA. Ich sehe den Krieg in der Ukraine, die zehntausenden Toten. Ukrainer und Russen beide leiden unter dem Wahnsinn eines Despoten. Ich blicke nach Israel und in den Gazastreifen. Wieder unermessliches Leid bei Palästinensern und Israelis. Und es hört einfach nicht auf. Ich sehe einen Despoten an der Spitze von China, dessen Weltmachtsanspruch grenzenlos zu sein scheint. Das Säbelrasseln macht mir Angst. Steht dort der nächste Krieg vor der Tür?
Ich blicke auf unser eigenes Land. Dauernd höre ich von tausenden Entlassungen. Die Botschaften aus der Wirtschaft sind ausgesprochen Sorgen erregend. Wir werden von drei Parteien regiert, die sich wie die Kesselflicker streiten. Optimismus strahlt unser Land nicht mehr aus.
Ein letzter düsterer Blick. An den Universitäten stehen viele evangelische theologische Lehrstühle zur Disposition. Fast niemand mehr studiert evangelische Theologie. In unserer Kirche sind die jungen Pfarrerinnen und Pfarrer eine Rarität geworden. Viele Gemeinde haben es bereits aufgegeben, die Pfarrstellen auszuschreiben. Unsere Gemeinden schrumpfen ganz enorm. Innerhalb der nächsten Jahre wird sich auch unsere Gemeinde massiv verändern. Liebe Alica, welche Welt hinterlassen wir dir?
Und dann heute für das Pfingstfest ein mehr als merkwürdiger Predigtext aus dem Buch des Propheten Hesekiel, auch Ezechiel genannt:
1 Ich spürte, wie der HERR seine Hand auf mich legte. Er führte mich im Geist durch die Luft und setzte mich mitten in der Ebene nieder. Der ganze Boden war mit Totengebeinen bedeckt. 2 Der HERR führte mich überall herum und zeigte mir die Gebeine. Es waren unzählige und sie waren völlig ausgetrocknet. 3 Dann fragte er mich: »Du Mensch, können diese Knochen wieder zu lebenden Menschen werden?« Ich antwortete: »HERR, das weißt nur du!« 4 Und er fuhr fort: »Rede als Prophet zu diesen Gebeinen! Ruf ihnen zu: ›Ihr vertrockneten Knochen, hört das Wort des HERRN! 5 So spricht der HERR, der mächtige Gott, zu euch: Gebt acht, ich bringe Lebensgeist in euch und ihr werdet wieder lebendig! 6 Ich lasse Sehnen und Fleisch auf euch wachsen und überziehe euch mit Haut. Und dann hauche ich euch meinen Lebensgeist ein, damit wieder Leben in euch kommt. Ihr sollt erkennen, dass ich der HERR bin!‹« 7 Ich tat, was der HERR mir befohlen hatte. Während ich noch redete, hörte ich es rauschen. Die Knochen rückten zueinander, so wie sie zusammengehörten. 8 Ich sah, wie Sehnen und Fleisch darauf wuchsen und sich eine Haut bildete. Aber es war noch kein Lebensgeist in ihnen. 9 Da sagte der HERR zu mir: »Du Mensch, sprich als Prophet zum Lebensgeist, sag zu ihm: ›So spricht der HERR, der mächtige Gott: Komm aus allen vier Himmelsrichtungen und hauche diese Toten an, damit wieder Leben in sie kommt!‹« 10 Ich tat, was der HERR mir befohlen hatte. Da kam der Lebensgeist in sie und sie wurden lebendig und standen auf. Es war eine riesige Menschenmenge. 11 Dann sagte der HERR zu mir: »Du Mensch, diese Totengebeine sind das Volk Israel. Du hörst doch, wie sie sagen: ›Unsere Gebeine sind vertrocknet, unsere Hoffnung ist dahin; wir haben keine Zukunft mehr!‹ 12 Darum rede als Prophet zu ihnen und sage: ›So spricht der HERR, der mächtige Gott: Gebt acht, ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, heraus; ich führe euch heim ins Land Israel. 13 Ihr werdet erkennen, dass ich der HERR bin, wenn ich das tue – wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus ihnen heraushole. 14 Ich gebe meinen Geist in euch, damit wieder Leben in euch kommt, und bringe euch in euer Land zurück. Ihr sollt erkennen, dass ich das angekündigt habe und dass ich tue, was ich sage, ich, der HERR.‹«
Welch ein irres Bild. Ein riesiges Feld voller vertrockneter und ausgeblichener Knochen. Welch ein trostloses Bild. Ein Bild des Todes, ein Feld der Hoffnungslosigkeit, trostlos.
Und dann geschieht etwas, was schlicht niemand für möglich gehalten hat. Aus den ausgeblichenen Knochen werden lebendige Menschen. Gott schafft etwas, das niemals ein Mensch für möglich gehalten hat. Gott verändert die absolute Trostlosigkeit in Leben. Sein Geist wird zum Lebensgeist der Menschen. Aus Knochen und Tod entsteht neues Leben.
Heute ist Pfingstsonntag. Wir erinnern uns daran, dass Gott öfters unerwartete Dinge tut. Wir erinnern uns an das Pfingstwunder, das die Apostelgeschichte beschreibt: 1 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. Pfingsten nennen wir de Geburtstag der Kirche. Denn von da an wurden Menschen vom Geist Gottes bewegt, sie erzählten von ihrem Glauben und die Sache Jesu Christi wurde zur größten Religion der Welt.
Pfingsten und der merkwürdige Predigttext aus dem Hesekielbuch erinnern uns daran: Gottes Atem belebt die Menschen, damals in Israel, später in Jerusalem und auch heute auf unserer Welt. Auch heute schafft Gottes Geist und sein Atem Leben. Gott schenkt dieser Welt immer wieder frischen Wind. Denn er kann Dinge tun, de wir uns nicht im Entferntesten vorstellen können. Der Trostlosigkeit dieser Welt steht Gott gegenüber. Alle Trostlosigkeit und alle Sorgen werden wie weggeblasen sein. Gott schafft Leben.
Das, liebe Alica, möchten wir dir mit auf deinen Lebensweg geben. Neben deinen Eltern, deiner Familie, deinen Paten gibt es noch jemanden, der dich dein Leben lang begleiten wird. Gott wird immer an deiner Seite sein. Er wird dir frischen Schwung für dein Leben geben. Du kannst immer mit ihm rechnen. Das hat dir Gott heute in der Taufe versprochen.
Übrigens auf Hebräisch heißt der Atem Gottes NÄFÄSCH. Dieses Wort hat noch eine zweite wichtige Bedeutung: Seele. Gottes Atem ist die Seele des Menschen. Nicht nur für Alica gilt Gott ist an deiner Seite. Nicht nur für Alica gilt, Gott gibt Schwung und Elan. Pfingsten erinnert uns daran, dass wir trotz aller Trostlosigkeit nicht verzweifeln müssen. Gott macht auch dein und mein Leben frisch und neu. Pfingsten ist wie ein frischer Wind für unsere Seelen.
Deswegen ist mir auch mit unserer Kirche nicht bang. Ja, wir werden uns verändern. Aber wir sind und bleiben Gottes Kinder, die er mit frischen neuen Ideen ausstatten wird. Und deswegen brauchen wir keine Angst vor der Zukunft zu haben.
Schließen möchte ich mit einer kleinen Pfingstgeschichte:
In einer sizilianischen Bergstadt gab es einmal einen Pfarrer, dem war es ein besonderes Anliegen, anschaulich und originell zu predigen.
Und jedes Jahr zu Pfingsten ließ er vom Küster gleich nach dem Evangelium eine Taube in die Luft werfen. Jeder wusste, dass dies nicht der Heilige Geist selbst war – sondern nur ein Symbol.
Aber alle wussten auch: Wem sich die Taube auf die Schulter oder auf den Kopf setzte, dem war eine besondere Erleuchtung durch den Heiligen Geist gewiss. Beweise dafür gab es genug: Vor einigen Jahren war die Taube dem Dorfschullehrer auf die Schulter geflogen, und der hatte dann endlich gewagt, ein geistreiches Buch zu veröffentlichen, das schon lange als Manuskript in seinem Schreibtisch geschlummert hatte.
Einmal hatte sich die Taube dem jungen, eingebildeten Grafen auf den Kopf gesetzt, und der ließ eine neue Wasserleitung für das Dorf bauen. Und irgendwie muss es ihm gut getan haben, den Leuten auch einmal zeigen zu können, dass er einen guten Kern in sich hatte.
Und ein andermal fasste der undurchsichtige Verwalter des städtischen Armenhauses den Entschluss, mit unterschlagenen Geldern eine Kapelle errichten zu lassen, die „Kapelle Santo Spiritu“. Er lebte richtig auf, weil er dadurch endlich wieder gut machen konnte, was ihn schon so lange bedrückt hatte.
Dann kam ein neuer Pfarrer aus dem unfrommen Norden. Der hielt nichts vom „abergläubischen Spektakel“, wie er es nannte – und die Taube war für ihn einfach ein Vogel. Aber wenn er auch gegen diesen Unfug wetterte, so wollte er doch seine neue Gemeinde nicht gleich vergraulen und den Flug der weißen Taube am Pfingstfest kurzerhand verbieten. So ordnete er an, dass zumindest die Fenster und Türen der Kirche weit offen bleiben müssten.
Doch ohne sich darum zu kümmern, flog die Taube dreimal hin und her und setzte sich dann auf die rechte Schulter des neuen Pfarrers. Ihm war das sehr peinlich. Aber alle Gottesdienstbesucher gerieten darüber außer sich vor Freude und applaudierten.
Eine schöne Geschichte! Und jeder von uns könnte jetzt für sich überlegen: Wenn diese Taube auf meiner Schulter landen würde, wozu könnte ich mich ermutigen und beflügeln lassen? Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause