Predigt an Karfreitag über Johannes 19, 16-30
(18.4.2025; Auferstehungskirche, Thema: Gott hilft die Steine des Lebens zu tragen, mit Meditation und Aktion)
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Hören wir auf den Bericht, mit dem Johannes die Kreuzigung und den Tod Jesu erzählt:
16 Da lieferte Pilatus ihnen Jesus aus und gab ihn frei zur Kreuzigung. 17 Die Soldaten übernahmen Jesus. Er trug selber sein Kreuz aus der Stadt hinaus, bis zum so genannten Schädelplatz - auf Hebräisch heißt er Golgota.
18 Dort nagelten sie Jesus ans Kreuz und mit ihm noch zwei andere, den einen links, den anderen rechts und Jesus in der Mitte. 19 Pilatus ließ ein Schild am Kreuz anbringen; darauf stand: »Jesus von Nazaret, der König der Juden«. 20 Der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nicht weit von der Stadt entfernt, deshalb lasen viele Juden diese Aufschrift. Sie war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefasst. 21 Die führenden Priester sagten zu Pilatus: »Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass dieser Mann behauptet hat: Ich bin der König der Juden.« 22 Pilatus sagte: »Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.« 23 Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz genagelt hatten, nahmen sie seine Kleider und teilten sie in vier Teile. Jeder erhielt einen Teil. Das Untergewand aber war in einem Stück gewebt und hatte keine Naht. 24 Die Soldaten sagten zueinander: »Wir wollen es nicht zerreißen; das Los soll entscheiden, wer es bekommt.« So traf ein, was in den Heiligen Schriften vorausgesagt war: »Sie haben meine Kleider unter sich verteilt. Mein Gewand haben sie verlost.« Genau das taten die Soldaten. 25 Nahe bei dem Kreuz, an dem Jesus hing, standen seine Mutter und deren Schwester sowie Maria, die Frau von Klopas, und Maria aus Magdala. 26 Jesus sah seine Mutter dort stehen und neben ihr den Jünger, den er besonders lieb hatte. Da sagte er zu seiner Mutter: »Frau, er ist jetzt dein Sohn!«4 27 Und zu dem Jünger sagte er: »Sie ist jetzt deine Mutter!« Von da an nahm der Jünger sie bei sich auf.
28 Jesus wusste, dass nun alles zu Ende gebracht war. Aber damit die Voraussagen der Heiligen Schriften vollends ganz in Erfüllung gingen, sagte er: »Ich habe Durst!« 29 In der Nähe stand ein Gefäß mit Essig. Die Soldaten tauchten einen Schwamm hinein, steckten ihn auf einen Ysopstängel und hielten ihn Jesus an die Lippen. 30 Jesus nahm davon und sagte: »Jetzt ist alles vollendet.« Dann ließ er den Kopf sinken und gab sein Leben in die Hände des Vaters zurück.
Gefoltert, verhöhnt, ans Kreuz geschlagen, verwundet und getötet. Vor Augen ist uns gestellt die ganze Brutalität dieses Geschehens. Hier leidet und stirbt kein Gott - hier leidet und stirbt ein Mensch. Und dieser Mensch Jesus von Nazareth unterscheidet sich nicht von den anderen Menschen, denen Leiden widerfährt. Er ist nicht erhabener, er ist nicht selbstsicherer, es macht ihm nicht weniger aus - er leidet und stirbt wie ein Mensch wie sie und ich. Erst später wird aus diesem Jesus von Nazareth der Erlöser werden. Erst später wird Jesus von Nazareth, der Zimmermann zum Erlöser, zum Christus, zu Jesus Christus, den wir anbeten.
Das zu verstehen ist fast nicht möglich. Der Gott, dem alles möglich ist, dieser Gott, der alles geschaffen hat, dieser Gott, der größer ist als alles, was existiert, wird in seinem Sohn zum Spielball der Menschen. Neid, Angst, Missgunst bringen ihn ans Kreuz und lassen ihn dort sterben. Fast nicht zu verstehen.
Und noch etwas übersteigt unseren Verstand: Das alles dies sein musste, um ein Leben mit Schuld und Last zu ermöglichen. "Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt" dies singen wir jedes Mal, wenn wir Abendmahl feiern. Aber dies zu verstehen, mit unserem Verstand zu greifen und zu begreifen ist fast nicht möglich.
Und doch ist es wichtig, uns anzunähern an das Geschehen an Karfreitag. Denn gerade in dem Leiden und dem Tod Jesu liegt eine große Chance des Lebens für uns, ein Halt, eine Hilfe für unser Leben. Und wenn uns dies so schwer fällt, diese Botschaft mit unserem Verstand zu begreifen, dann müssen wir vielleicht andere Wege gehen. Andere Wege, damit wir Anteil haben daran.
Deswegen bitte ich sie und euch, den Stein einmal näher zu betrachten. (Kurze Zeit der Möglichkeit zur Betrachtung geben.)
Ich betrachte meinen Stein. Er ist …
Und ich denke daran, was dieser Stein alles für mich bedeuten kann.
So ein Stein kann mich verletzen. Er steht als Symbol für alles das, was mir weh tut …
So ein Stein steht dafür, dass ich wütend bin …
So ein Stein steht für alle Schuld, die ich auf mich geladen habe …
So ein Stein steht dafür, wo ich mich selbst eingemauert habe …
Und so steht der Stein für alle Lasten meines Lebens, die mich nach unten ziehen …
Nehmen wir uns etwas Zeit, um in uns hinein zu horchen und zu hören und zu fühlen, wie es denn mit den aktuellen Lasten, den Steinen unseres Lebens bestellt ist. Denn gerade hier in der Kirche ist ja auch ein Raum des Schutzes gegeben, ein Raum, in dem ich geborgen bin, wo ich nicht alleine bin, wo ich getragen bin von Gott und der Gemeinschaft der Menschen.
Nehmen wir uns Zeit, bitten wir Gott um Mut, uns ehrlich zu betrachten, unsere Kräfte ehrlich einzuschätzen, die Lasten unseres Lebens nicht zu verharmlosen, sondern sie ehrlich zu betrachten. Und sie dann vor Gott zu bringen und bei ihm um Schutz und Hilfe nachzusuchen, so wie Menschen, die Halt und Hilfe durch Jesus Christus finden.
Dies soll in einer Zeit der Besinnung geschehen, in der wir Musik hören. Wenn wir unsere Lasten des Lebens vor Gott bringen wollen, dann kann dies auf zweierlei Art und Weise geschehen: Zum einen können wir dies tun, indem wir sie vor Gott bringen im Gebet. Zum anderen können wir dies tun, indem wir sie in das Kreuz legen, das hier vorne auf dem Boden liegt.
STILLE - MUSIK - STEINAKTION
Viele Steine liegen hier vorne in dem Kreuz. Lasten, die sie /ihr hierher gebracht habt. Zusammen mit den Steinen, die sie im Gebet genannt haben ist eine große Last zusammen gekommen. Unsere Steine auf dem Herzen, auf der Seele sind immer noch da! Sie sind nicht weg, die Steine unseres Lebens. Und auch die Last, die von ihnen ausgeht spüren wir noch immer. Und doch — es hat sich etwas verändert. Wir sind nicht mehr alleine. Einer trägt unsere Lasten mit, einer packt mit an und lässt uns nicht im Stich. Jesus Christus. Er kann uns nichts anderes geben als sich selbst. Aber das ist viel. Dadurch, dass er mitten unter uns steht, als Leidender unter Leidenden, ist er einer von uns. Er kommt nicht von oben herab, sondern ist ganz unten bei uns. Deshalb geht sehr viel Kraft von ihm aus, deshalb kann er uns stützen und tragen.
Ich wünsche uns allen, dass wir diese Hilfe Jesu Christi wirklich spüren. Ich wünsche uns allen, dass sie auch in unseren Alltag hinein reicht, dass sie uns in allen Situationen unseres Lebens trägt. Und ich wünsche uns allen, dass wir immer wieder die Zeit und die Kraft finden, uns daran zu erinnern. Amen.
Denn dann wohnt der Friede Gottes in uns, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, in diesem Frieden bewahre Gott unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause