Predigt über ein Bild von Beate Heinen „Christ, der Retter ist da“
(24.12.2024; Auferstehungskirche, Thema: Gott heilt die Welt)
Das Bild ist zu finden unter www.segensreich.de/produkt/postkarte-christ-der-retter-ist-da/
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Gemeinde!
Wenn ich das Gefühl der Menschen in diesem Jahr an Weihnachten erspüre, dann merke ich eine große Last durch Unsicherheiten. Vieles, worauf wir uns lange verlassen haben, ist anders geworden, unsicher.
Seit vielen Jahrzehnten war Frieden in Europa. Nun tobt der Krieg in Russland und der Ukraine schon im dritten Jahr.
Unsere Industrie garantierte seit Jahrzehnten unseren Wohnstand. Auf einmal kommt selbst VW ins Schleudern. Überall gibt es Nachrichten, dass Unternehmen tausende Mitarbeitende entlassen wollen.
Im Osten unseres Landes wird die AfD stärkste Partei bei Wahlen. Und wir hatten gedacht, dass rassistische und nationalistische Parteien Geschichte sind
Es ist alles unheimlich teuer geworden. Drei Reibekuchen auf dem Weihnachtsmarkt kosteten 6,- €. Bei dem Preis schmecken sie einem fast nicht mehr.
Wir haben keine Regierung mehr. Und die ehemaligen Partner dreschen ohne Anstand aufeinander ein wie die Kesselflicker.
Die Amerikanerinnen und Amerikaner haben Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt. Sein angedachtes Kabinett liest sich wie ein Horrorkabinett. Was kommt da noch auf uns zu?
Der Krieg in Gaza und Israel nimmt kein Ende. Die Schockwellen reichen bis in unser Land.
Und dann das schlimme Geschehen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. So viele Tote, so viele Verletzte, so viele Familien, die ins Leid gestürzt wurden.
Quo vadis? Wo geht es hin? Ich merke, dass viele Unsicherheiten dazu gekommen sind.
Und oftmals betrifft es uns ja auch ganz persönlich.
Die Ehefrau eines Freundes ist unheilbar erkrankt. Das ganze Leben ist mehr als unsicher geworden. Eine Freundin ist nach Jahrzehnten Ehe von ihrem Mann verlassen worden. Weihnachten ganz alleine? Meine Eltern haben sich vom eigenen Zuhause verabschieden müssen. Sie leben nun nebenan im HGH und müssen sich dort erst wieder einleben.
Ich bin ganz sicher, wenn Sie / Ihr in das eigene Leben blickt, dann wird es ebenfalls viele Veränderungen geben. Und vielleicht können Sie, kannst du das Gefühl der Unsicherheit etwas nachvollziehen.
Nichts scheint wirklich dauerhaften Bestand zu haben. Und diese Unsicherheit zerrt an den Nerven, macht uns nervös, lässt uns selber unsicher werden.
Da ist es ja einfach gut, dass Weihnachten kommt. Das Fest mit seinen vielen vertrauten Ritualen. Einfach mal ein paar Tage abschalten. Einfach mal an nichts Schlechtes und Schwieriges denken. Einfach mal Weihnachten nur Weihnachten sein lassen. Leckeres Essen, Verwandtenbesuche, liebevoll ausgesuchte Geschenke. Eine Zeit der Ruhe in all der Unruhe. Eine Zeit der Sicherheit in aller Unsicherheit. Ein paar Tage Frieden in allem Unfrieden.
- Pause -
Mir reicht das aber nicht. Ich will nicht nur eine Ruhepause. Ich will nicht nur die vertrauten Rituale. Ich will gerne lecker essen, aber das reicht mir nicht. Ich schenke gerne und werde gerne beschenkt. Aber das ist mir einfach nicht genug. Ich spüre einfach: Ich will mehr und ich brauche mehr.
Ich will spüren, dass sich was verändert. Ich will gehalten sein in alle dem Unsicheren und Neuen. Einfach eine kurze Pause ist mir nicht genug. Ich will mehr!
Und ein zweites kommt noch hinzu. Ich fand dieses Jahr unglaublich anstrengend. Sowohl privat als auch beruflich. Und in vielen Gesprächen mit anderen habe ich auch Sätze gehört, die die meinen gewesen sein könnten: „Ich pfeife auf dem letzten Loch.“ „Ich bin so froh, dass jetzt die Ferien sind.“ „Ich hangele mich seit Wochen und Monaten einfach nur durch. Irgendwie bin ich ständig krank.“ Ich brauche einfach schlicht Kraft. Und ich brauche auch eine Portion Mut. Und ich brauche Zuversicht. Und ich brauche ein Stück Freude. Kraft, Mut, Zuversicht, Freude. Leider gibt es keinen Laden, wo man sich das einfach aus den Regalen holen kann.
- Pause -
Ihr habt, sie haben am Eingang eine Postkarte bekommen mit einem Bild von Beate Heinen bekommen. Das Bild trägt den Titel „Christ, der Retter ist da“.
Die Gestalt auf der rechten Seite hat Beate Heinen den „letzten König der Erde“ genannt. Mit geschlossenen Augen und fahlem Gesicht übergibt der letzte König die Erde dem Kind und seiner Mutter. Der blaue Planet blutet aus allen Poren, er droht zu zerreißen, er ist durch die Hände der Menschen ziemlich aus den Fugen geraten.
Doch obwohl diese Erde so fürchterlich zugerichtet zu sein scheint, ist dieses Bild von Beate Heinen alles andere als hoffnungslos. Im Gegenteil: Liebevoll sind die Augen des Kindes auf die leidende Erde gerichtet. Zärtlich umschließt es sie mit seinen Armen, und mit größter Behutsamkeit berührt es sie, um die vielen Wunden zu versorgen. Und das ist für mich die Botschaft von Weihnachten: So sieht Gott unsere leidende Welt an, auch unsere persönlichen Nöte und Sorgen und Ängste, so begegnet er ihr, berührt sie, fügt und hält im Verborgenen zusammen, was wir Menschen dem Zerbrechen preisgegeben haben.
In der Darstellung des Christuskindes lässt uns die Künstlerin in Gottes Gesicht und in sein Herz schauen. Gott hat seine Welt nicht aufgegeben, nicht einen Augenblick. Er hat sich nicht zurückgezogen, gekränkt und beleidigt durch die Taten der Menschen. Im Gegenteil, er wird selber Mensch, ein kleines Kind, verwickelt sich in unsere Welt hinein, möchte gerade im Leiden ganz nahe sein, damit es keinen Ort und keine Zeit mehr gibt, in der wir ohne Gott sein müssten. Gott bleibt seiner Erde treu.
Was mich an diesem Bild auch so anspricht, ist der ruhige, liebevolle Blick, mit dem Jesus und seine Mutter den notleidenden Erdball anschauen. Ein aufmerksamer, wohlwollender Blick kann Rettung sein und hat heilende, verwandelnde Kraft.
Ich werde dieses Jahr daran erinnert, dass sich vom Stall in Bethlehem bis heute eines niemals verändert hat:
Bis heute hält Gott sein Versprechen, diese Welt nicht fallen zu lassen. Bis heute liegt diese Welt in seinen Händen. Bis heute schaut er sie liebevoll an. Für mich bedeutet dies für uns heute: Wir sind schon gehalten und beschützt. Es gibt die eine unumstößliche Sicherheit in meinem Leben, die sich auch niemals verändern wird: Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten.
Und dennoch leben wir weiterhin in einer Welt, die unsicher ist und unsicher bleibt. Und doch: Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten. Wir werden es auch in Zukunft aushalten müssen, dass Arbeitsplätze unsicher sind. Und doch: Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten. Wir werden es auch in Zukunft aushalten müssen, dass uns vieles Angst macht. Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten. Wir werden es auch in Zukunft aushalten müssen, dass unsere Welt nicht heil ist. Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten. Wir werden auch in Zukunft vieles aushalten müssen, von dem wir jetzt noch gar nichts wissen. Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten.
In diesem Jahr ist die Botschaft an Heiligabend ganz einfach diese: Lege deine Sorgen, deine Ängste und deine Nöte in Gottes Hand. Diese Welt wird gehalten, ich werde gehalten, du wirst gehalten. Wir werden in alle dem gehalten sein von zärtlichen Händen und betrachtet werden von zärtlichen Blicken. Wir müssen in unseren Ängsten und Sorgen nicht versinken.
Nehmt diese Postkarte einfach mit nach Hause. Stellt sie an einen Ort, an dem ihr Sie öfter vorbeikommt. Sie soll uns das ganze Jahr erinnern: Christ der Retter ist da, für alle, für dich und für mich.
Die Botschaft der Krippe
Ich heiße Gordana Nicolic. Durch den Krieg bin ich Witwe geworden. Meine Kinder und ich mussten unser Zuhause fluchtartig verlassen. Wir hatten kaum Gelegenheit, die notwendigsten Dinge zusammenzupacken.
Wir lernten die Trostlosigkeit des Lagerlebens kennen. Mein kleiner Dennis sagte am vierten Adventssonntag mit weinerlicher Stimme zu mir: „Wir werden dieses Jahr keine Weihnachtsplätzchen backen."
„Wir werden froh sein, wenn wir überhaupt etwas zu essen bekommen", dachte ich, sagte aber nichts. Ob meine große Tochter Mara meine Gedanken erriet, weiß ich nicht. Ihre Augen waren todtraurig in einer Zeit, in der anderswo Kinderaugen überglücklich strahlen.
Am Hl. Abend war es klirrend kalt. Vielleicht war der Winter hier immer so, aber jetzt, ohne Brennstoffe, schien er mir besonders frostig zu sein. Dazu kam die Freudlosigkeit. Nirgendwo spielte Weihnachtsmusik oder erklangen Lieder, nirgendwo roch man Festliches. Nur eins tröstete uns, wir waren dem Donner der Kanonen, dem Hagel der Granaten entgangen. In diese Niedergeschlagenheit stellte ein alter Mann eine Krippe in unsere Mitte. Er hatte sie auf ein dickes Brett gebaut. Die Stallwände waren aus Pappe. Feste Stöcke trugen das Strohdach, gebogene Weidenstäbe bildeten den Eingang zum Stall. Dort standen Maria und Josef und in der Krippe lag das Kind, Bote des Friedens.
Zum Stall eilten ein paar Hirten mit ihren Schafen. All die Figuren waren aus festem Papier geschnitten und aufgemalt. Ein Stückchen Holz verhinderte ihr Umfallen. Im Eingang - rechts und links - brannten zwei Kerzen. Wir betrachteten den Stall in unserer Mitte. Es wurde Weihnachten in uns - vielleicht zum ersten Mal. Wir verstanden die Botschaft des Kindes: die Liebe gibt uns Halt.
Frohe und gesegnete Weihnachten. Amen.
Und der Frieden Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, er bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Es gibt eine Seite mit den alten Losungsandachten:
https://evangelisch-neuss-sued.de/gottesdienste/beten-zuhause