Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben!
Manchmal brechen Lebenskartenhäuser sehr schnell zusammen. Von einer Sekunde auf die andre verändert sich das ganze Leben. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, durch die das geschehen kann: Ein Unfall, ein Schlaganfall oder viele andere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die Menschen erleiden können.
Ich bin im meinem Leben vielen Menschen begegnet, denen Schicksalsschläge widerfahren sind. Sie haben von einer Sekunde auf die andere lernen müssen, dass das Leben gar nicht sicher und selbstverständlich ist. Und ich finde es immer wieder spannend zu sehen, wie sie mit der neuen Situation umgehen. Wenige haben resigniert und aufgegeben. Die meisten aber haben nach einer Zeit angefangen, neue Pläne zu schmieden. Mir ist ein Satz eines Mannes in Erinnerung der nach einem Schlaganfall mehr als ein Jahr brauchte, um an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Als ich ihn ansprach, wie mühsam Treppen für ihn seien sagte er: „Herr Thamm, ich habe ein halbes Jahr im Rollstuhl gesessen. Jede gegangene Treppenstufe bedeutet ein Wunder für mich.“
Können wir uns auf solche Schicksalsschläge eigentlich vorbereiten? Ja und Nein. Nein, weil wir nicht nachempfinden können wie es sein wird, wenn es uns real aktuell betrifft. Ja, wenn wir uns immer wieder vor Augen führen, dass selbst unser ganz normaler anstrengender Alltag jeden Tag wieder neu ein wunderbares Geschenk ist. Nehmen wir unseren Alltag nicht als selbstverständlich, genau wie unsere Gesundheit.
Wenn wir uns dies vor Augenführen, dann merken wir schnell, wie viel Grund es jeden Tag wieder neu zum Danken gibt. Tausend Gründe liefert jeder Tag, jede Minute und jede Sekunde.
Guter Vater!
Ich danke dir für mein Leben. Amen.
Lebt heute freier als vor der Amputation: Sportler Maximilian Schwarzhuber
Maximilian Schwarzhuber (26) wird sich immer an den Tag seiner Wiederauferstehung erinnern: der 14. Oktober 2017. An diesem Tag blickte er nach einer Operation im Aufwachraum auf sich herab - und hatte keine Beine mehr. „Ich habe mich unfassbar befreit gefühlt,“ erinnert er sich. „Obwohl ich nicht wusste, wie es ab jetzt weitergeht.“ Denn bis zu diesem Moment hat er täglich gelitten. Seit er zwei Jahre alt war. Als er damals von seinem Mittagsschlaf aufwachte, war er querschnittsgelähmt. Ganz plötzlich. Bis zur Brust. „Die Lähmung ging wieder zurück - aber von den Knien abwärts habe ich nie wieder etwas gespürt.“ Ein Leben ohne Rollstuhl und Krücken war ab diesem Zeitpunkt undenkbar.
Mit neun riss er sich mit einem Nagel seine Ferse auf - ohne es zu merken. Ständig litt er unter Knochenbrüchen und Entzündungen. Irgendwann rebellierte sein Körper - und empfand doch Schmerzen, zwischen Knie und Leiste. Und als er eines Tages, mit 22 Jahren, mit einer schweren Entzündung ins Krankenhaus kam, sagte der Arzt zu ihm, dass sie ihm das Bein hätten amputieren müssen - hätte er länger gewartet. Mit 24 hat er eine Entscheidung getroffen: die Amputation seiner Unterschenkel. Schon vier Tage nach seiner OP beginnt er mit dem Training - auf Prothesen. Nach 136 Tagen läuft er einen Zehn-Kilometer-Lauf.
„Es war Wahnsinn, als ich durchs Ziel gelaufen bin.“ Früher hat die Krankheit sein Leben bestimmt. „Heute liegt mein Fokus beim Sport - und wie ich immer wieder an meine Grenzen gehen kann.“ Seine Entscheidung hat er nie bereut. „Vielleicht gibt es ja in den nächsten Jahren ein Medikament, das mich geheilt hätte. Aber es geht nicht darum, die richtige Entscheidung zu treffen. Sondern darum, die getroffene Entscheidung zur richtigen zu machen.“